Aktuelles
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Unberechtigter Ausweis von Umsatzsteuer in einer unvollständigen Abrechnung
Ein Unternehmer muss die Umsatzsteuer, die er unberechtigt in einem an einen anderen Unternehmer gerichteten Dokument ausweist, an das Finanzamt abführen. Dies setzt voraus, dass in dem Dokument die grundlegenden Rechnungsangaben wie der Rechnungsaussteller, der (vermeintliche) Leistungsempfänger, die Leistungsbeschreibung und das Entgelt enthalten sind sowie die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen ist. Sofern die Leistungsbeschreibung unvollständig ist bzw. fehlt, genügt es, wenn sich die Leistung aus anderen Unterlagen ergibt, auf die das Dokument Bezug nimmt. Hintergrund: Wer in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Umsatzsteuerausweis nicht berechtigt ist, schuldet die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer und muss sie an das Finanzamt abführen. Sachverhalt: Die Klägerin führte für ihre Auftraggeber (pharmazeutische Unternehmen) ärztliche Studien durch. Die pharmazeutischen Unternehmen beauftragten ihrerseits verschiedene Ärzte, die als sog. Prüfärzte die Studien begleiten sollten. Die Klägerin übernahm u.a. die Bezahlung der Ärzte im Auftrag und im Namen der pharmazeutischen Unternehmen und erteilte den Ärzten Gutschriften mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. Da die Klägerin hierfür das Geld von den pharmazeutischen Unternehmen benötigte, forderte sie das Geld von den pharmazeutischen Unternehmen mittels sog. Abforderungsschreiben an. In diesen Schreiben nannte die Klägerin eine fortlaufende Abforderungsnummer, eine Angebotsnummer, eine Bestellnummer des Auftraggebers, eine Kurzbeschreibung des Projekts und ein Lieferdatum. Die Klägerin forderte ihre Auftraggeber auf, die für die Ärzte bestimmten Honorare auf ein von ihr geführtes Honorarkonto zu überweisen. Dabei wies sie die Umsatzsteuer gesondert aus. Das Finanzamt ging von einem unberechtigten Umsatzsteuerausweis aus und forderte die Klägerin zur Abführung der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer auf. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Die Klägerin hat die Umsatzsteuer in den Abforderungsschreiben unberechtigt ausgewiesen. Denn die Klägerin hat keine prüfärztliche Tätigkeit erbracht; vielmehr wurde über die Leistungen der Prüfärzte in den Gutschriften gegenüber den Ärzten abgerechnet. Die Abforderungschreiben waren Rechnungen im umsatzsteuerlichen Sinne, da sie die grundlegenden Angaben, die eine Rechnung ausmachen, enthielten, z.B. den Rechnungsaussteller, den Leistungsempfänger, das Entgelt und die Umsatzsteuer. Zwar fand sich in den Abforderungsschreiben keine Leistungsbeschreibung. In den Abforderungschreiben wurde aber auf andere Unterlagen Bezug genommen, aus denen sich die Leistung ergab. So enthielten die Abforderungsschreiben eine Angebotsnummer und eine Bestellnummer. Sie nahmen auf die Projektkurzbeschreibung Bezug, wonach die Klägerin die Leistungen der Prüfärzte „als Zahlstelle“ für die pharmazeutischen Unternehmen abrechnete. Hinweise: Die Regelung, nach der unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen ist, soll die Gefahr mindern, dass der Empfänger unberechtigt Vorsteuer aus der Rechnung geltend macht. Diese Gefahr bestand im Streitfall, da die pharmazeutischen Unternehmen aufgrund des gesonderten Umsatzsteuerausweises unberechtigt Vorsteuer – zusätzlich zu der Vorsteuer aus den Gutschriften – hätten geltend machen können. Zu beachten ist, dass nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich die Finanzverwaltung und auch der BFH angeschlossen hat, die Abführungspflicht für unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer nicht besteht, wenn die Rechnung an einen Endverbraucher gestellt wird; denn ein Endverbraucher ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Quelle: BFH, Beschluss vom 19.3.2025 – XI R 4/22; NWB
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Änderung eines wegen verfassungsrechtlicher Ungewissheit vorläufigen Bescheids
Ein Steuerbescheid, der wegen eines anhängigen Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorläufig ergeht und in dem die verfassungsrechtlich umstrittene Norm jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nicht angewendet wird, darf nicht mehr zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn das BVerfG die Norm, wegen deren Verfassungsvereinbarkeit es angerufen worden ist, für verfassungsgemäß erklärt. Hintergrund: Bescheide können vorläufig ergehen, wenn die Voraussetzungen der Entstehung der Steuer ungewiss sind. Eine derartige Ungewissheit besteht z.B., wenn eine Norm, die im Streitfall relevant ist, vom BVerfG geprüft wird. Der Bescheid kann dann vorläufig ergehen, so dass der Ausgang des Verfahrens beim BVerfG abgewartet werden kann. Grundsätzlich kann ein vorläufiger Bescheid geändert werden, soweit die Vorläufigkeit reicht.Sachverhalt: Die Klägerin schloss zunächst eine dreimonatige Ausbildung als Rettungssanitäterin ab. Anschließend studierte sie von 2011 bis 2016 Medizin. In den Streitjahren 2015 und 2016 machte sie die Studienkosten als Ausbildungskosten für eine Zweitausbildung geltend. Zum 1.1.2015 hatte der Gesetzgeber jedoch das Gesetz geändert und verlangte für die Anerkennung der Kosten einer Zweitausbildung u.a., dass eine Erstausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten absolviert wurde. Das Finanzamt erkannte gleichwohl die Kosten für das Medizinstudium als Kosten für eine Zweitausbildung an, erließ den Bescheid allerdings vorläufig, weil beim BVerfG die Frage geklärt werden sollte, ob die Neuregelung verfassungsgemäß ist. Im Jahr 2019 bestätigte das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. Daraufhin änderte das Finanzamt die Steuerbescheide für 2015 und 2016 unter Hinweis auf die Vorläufigkeit und erkannte die Kosten für das Medizinstudium nun nicht mehr an. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt: Zwar kann ein vorläufiger Bescheid grundsätzlich geändert werden, soweit die Vorläufigkeit reicht. Bezieht sich die Vorläufigkeit aber auf ein anhängiges Verfahren beim BVerfG, darf der Bescheid nur geändert werden, soweit das BVerfG die Norm für verfassungswidrig hält. Das Finanzamt darf dann den Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen ändern und die für verfassungswidrig erklärte Norm nicht mehr anwenden. Hält das BVerfG die Norm – hier: die Neuregelung, nach der eine steuerlich zu berücksichtigende Zweitausbildung nur dann vorliegt, wenn die Erstausbildung mindestens 12 Monate gedauert hat – aber für verfassungsgemäß, besteht keine Änderungsmöglichkeit. Vielmehr ist der Vorläufigkeitsvermerk aufzuheben und der Bescheid für endgültig zu erklären. Im Streitfall hat das BVerfG die Neuregelung als verfassungsgemäß angesehen. Damit war eine Änderung des vorläufigen Bescheids zuungunsten der Klägerin ausgeschlossen. Hinweise: Weitere Korrekturvorschriften waren nicht einschlägig. Das Finanzamt hat den Fehler gemacht, die Neuregelung nicht anzuwenden und den Ausgang des Verfahrens beim BVerfG abzuwarten. Das Finanzamt hätte vielmehr die Neuregelung anwenden müssen und die Kosten für das Medizinstudium nicht mehr anerkennen dürfen, da die Rettungssanitäterausbildung nur drei Monate, nicht aber mindestens 12 Monate gedauert hat. Es hätte gleichwohl den Bescheid für vorläufig erklären dürfen. Eine Änderung des Bescheids wäre aber nur dann in Betracht gekommen, wenn das BVerfG die Neuregelung als verfassungswidrig angesehen hätte; der Bescheid hätte dann zugunsten der Klägerin geändert werden müssen. Quelle: BFH, Urteil vom 29.4.2025 – VI R 14/23; NWB
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Rückwirkende Steuerbefreiung für Photovoltaikanlage verfassungsgemäß
Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) hält die zum 1.1.2022 rückwirkend erfolgte Steuerbefreiung für Gewinne aus dem Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen für verfassungsgemäß. Nach Auffassung des Gerichts ist es verfassungsrechtlich unbeachtlich, dass die Rückwirkung der Steuerbefreiung die Geltendmachung von Verlusten aus dem Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen für das Jahr 2022 verhindert hat. Hintergrund: Gewinne aus dem Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kw (peak) sind unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.1.2022 steuerfrei. Die Steuerbefreiung wurde Ende 2022 rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführt.Sachverhalt: Die Kläger beschlossen im Sommer 2021, eine kleinere Photovoltaikanlage zu erwerben und den erzeugten Strom entgeltlich in das Stromnetz einzuspeisen. Aufgrund der Corona-Krise wurde die Anlage erst Ende 2022 errichtet. Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2022 einen Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in Höhe von ca. 3.000 € geltend, den das Finanzamt aufgrund der zum 1.1.2022 eingeführten Steuerfreiheit nicht anerkannte. Hiergegen gehen die Kläger gerichtlich vor. Sie halten die rückwirkende Steuerbefreiung für verfassungswidrig. Entscheidung: Das FG bejahte die Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Steuerbefreiung und wies die Klage ab: Ein rückwirkendes Gesetz ist verfassungsrechtlich nur dann problematisch, wenn es belastend ist. Ein begünstigendes Gesetz wie eine Steuerbefreiung darf hingegen auch rückwirkend in Kraft treten. Zwar hätten die Kläger ohne die Steuerbefreiung einen Verlust für 2022 steuerlich geltend machen können. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass sie die Photovoltaikanlage mit Gewinnerzielungsabsicht betreiben wollen; sofern diese Voraussetzung erfüllt gewesen wäre, hätten sie dann aber über die Dauer des Betriebs der Anlage auch Gewinne erzielen und diese versteuern müssen. Auch in diesem Fall wirkt sich die Steuerbefreiung bei einer Gesamtbetrachtung über die Betriebsdauer der Anlage für die Kläger begünstigend aus. Nicht zulässig wäre eine verfassungsrechtliche Betrachtung, nach der die Kläger darauf vertrauen durften, dass ihr Verlust des Jahres 2022 steuerlich wirksam bleibt, aber künftige Gewinne steuerfrei gestellt werden. Hinweise: Tatsächlich hat der Gesetzgeber die Rückwirkung eingefügt, um zu verhindern, dass die Steuerpflichtigen im Jahr 2022, als die Pläne zur Steuerbefreiung bekannt wurden, noch schnell eine Anlage erwerben und steuerliche Verluste geltend machen, bevor dann die Gewinne ab 2023 steuerfrei gestellt werden. Daher entschied sich der Gesetzgeber im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, die Steuerbefreiung rückwirkend einzuführen. Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers ändert jedoch nichts daran, dass die Steuerbefreiung über die Laufzeit der Anlage gesehen begünstigend wirkt. Die Kläger haben gegen das Urteil Revision vor dem Bundesfinanzhof eingelegt. Ob sie dort mit ihrer Klage Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten.Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 24.6.2025 – 4 K 1286/24 E; Revision eingelegt, BFH-Az. X R 17/25; NWB