Aktuelles
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Kein Werbungskostenabzug für Umzug zur Begründung eines häuslichen Arbeitszimmers
Die Kosten eines Arbeitnehmers für den Umzug in eine größere Wohnung, um dort erstmals ein häusliches Arbeitszimmer begründen zu können, sind nicht als Werbungskosten absetzbar. Denn ein Umzug in eine größere Wohnung ist stets auch privat veranlasst. Hintergrund: Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind als Werbungskosten abziehbar. Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und als Arbeitnehmer in Hamburg beschäftigt. Sie lebten mit ihrer fünf Jahre alten Tochter in einer 65 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung, in der es kein häusliches Arbeitszimmer gab. Zum 30.6.2020 wechselte der Kläger den Arbeitgeber. Um auch von zu Hause aus arbeiten zu können, zogen die Kläger zum Juli 2020 in eine ca. 110 qm große Fünf-Zimmer-Wohnung um, in der sie zwei häusliche Arbeitszimmer einrichteten. Die Kläger machten die Umzugskosten in Höhe von ca. 4.200 € als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Grundsätzlich sind Umzugskosten privat veranlasst und daher nicht als Werbungskosten abziehbar. Ausnahmsweise können Umzugskosten jedoch als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der entscheidende Grund für den Umzug die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers ist und wenn private Umstände eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Dies ist etwa der Fall, wenn sich aufgrund des Umzugs die tägliche Fahrzeit zur Arbeit um mindestens eine Stunde verkürzt. Auch der Auszug aus einer Dienstwohnung bzw. der Einzug in eine Dienstwohnung können hierzu gehören. Die berufliche Veranlassung muss sich aber auf objektiv feststellbare Umstände stützen lassen. Dies erfordert das Gebot der Rechtssicherheit. Allein die Absicht, erstmals über ein häusliches Arbeitszimmer verfügen zu können, genügt nicht, weil die Wahl einer Wohnung auch vom Geschmack, von den Lebensgewohnheiten, den finanziellen Mitteln und der familiären Situation abhängig ist. So konnten die Kläger jetzt z.B. ihr neues Wohnzimmer ausschließlich für private Zwecke nutzen und mussten es nicht mit einer oder gar zwei Arbeitsecken ausstatten. Daher sind die entstandenen Umzugskosten der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht als Werbungskosten abziehbar. Hinweise: Abziehbar waren im Streitfall jedoch die Kosten für die häuslichen Arbeitszimmer.Die Entscheidung des BFH ist nicht unproblematisch, weil sich die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer seit der Corona-Krise geändert haben. Zunehmend wird von Arbeitnehmern erwartet, dass sie im häuslichen Arbeitszimmer arbeiten. Dies galt insbesondere im Streitjahr 2020, als die Corona-Krise begann. Der BFH sieht in seiner aktuellen Entscheidung diese Problematik durchaus, verneint aber dennoch eine maßgebliche berufliche Veranlassung des Umzugs. Quelle: BFH, Urteil vom 5.2.2025 – VI R 3/23; NWB
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Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters bei vorheriger Unternehmenseinstellung
Stellt der Insolvenzverwalter dem in Insolvenz geratenen Unternehmer eine Rechnung für die Insolvenzverwaltertätigkeit aus, ist die Vorsteuer, die sich aus der Rechnung ergibt, in dem Umfang abziehbar, in dem der Unternehmer bis zur Einstellung seiner Tätigkeit umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat. Es kommt also nicht auf den während des Insolvenzverfahrens erzielten Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz an. Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Tätigt der Unternehmer sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerfreie Umsätze, muss die Vorsteuer aufgeteilt werden und ist nur in dem Umfang abziehbar, in dem der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt. Sachverhalt: U war Bauunternehmer und stellte aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage sein Unternehmen ein. Über das Vermögen des U wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Bis zur Unternehmenseinstellung betrug der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des U an seinem Gesamtumsatz 45 %. Der Kläger als Insolvenzverwalter begann nun mit der Abwicklung der noch nicht abgeschlossenen Bauvorhaben, schloss mit den Auftraggebern Aufhebungsvereinbarungen und verwertete das Vermögen, um die Gläubiger des U zu befriedigen; der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz in der Zeit des Insolvenzverfahrens betrug nur 1,43 %. Anschließend stellte der Kläger seine Insolvenzverwaltertätigkeit dem U in Rechnung (ca. 90.000 € zzgl. ca. 17.00 € Umsatzsteuer) und gab für U eine Umsatzsteuererklärung ab, in der er die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von 17.000 € zu 45 % als Vorsteuer geltend machte. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nur im Umfang von 1,43 % an. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und erkannte die Vorsteuer zu 45 % an: Für den Umfang des Vorsteuerabzugs kommt es auf den Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze am Gesamtumsatz an. Hat der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt, ist es sachgerecht, auf das Verhältnis der Umsätze aus der Zeit bis zur Unternehmenseinstellung abzustellen. Es besteht dann nämlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, die aus der Zeit bis zur Unternehmenseinstellung begründet worden sind. Auf die Umsätze des Insolvenzverwalters aus den Verwertungshandlungen während des Insolvenzverfahrens kommt es nicht an. Daher mindern umsatzsteuerfreie Grundstücksverkäufe des Insolvenzverwalters nicht den Umfang des Vorsteuerabzugs. Hinweise: Anders wäre der Fall zu entscheiden gewesen, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen des U fortgeführt hätte. Entscheidend wäre dann das Verhältnis der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze des Insolvenzverwalters zum Gesamtumsatz aus der Zeit der Insolvenz gewesen. Dem Kläger als Insolvenzverwalter ging es aber nicht um die Fortführung des Unternehmens des U, sondern um die Befriedigung der Gläubiger, da er das Vermögen verwertete und die bereits angefangenen Aufträge nicht zu Ende führte, sondern Aufhebungsvereinbarungen mit den Auftraggebern schloss. Ob eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter beabsichtigt ist, kann sich insbesondere aus einem Insolvenzplan ergeben. Quelle: BFH, Urteil vom 23.10.2024 – XI R 8/22; NWB
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Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge seit Beginn des Kriegs in der Ukraine
Die Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat bzw. 12 % pro Jahr ist verfassungsgemäß, da jedenfalls seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Marktzinsen deutlich und dauerhaft gestiegen sind. Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden für jeden Monat Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des rückständigen Betrags verwirkt (jährlich 12 %). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert. Für Säumniszuschläge bleibt es aber bei dem Satz von 1 % pro Monat. Ob diese Höhe verfassungskonform ist, ist umstritten. Sachverhalt: Der Antragsteller erhielt einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017, aus dem sich eine Nachzahlung in Höhe von ca. 190.000 € ergab. Er beantragte zunächst mit Erfolg die Aussetzung der Vollziehung, so dass keine Säumniszuschläge verwirkt wurden. Das Finanzamt widerrief jedoch mit Wirkung zum 19.3.2022 die Aussetzung der Vollziehung und machte die weitere Gewährung der Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 108.000 € abhängig. Hierzu teilte es dem Antragsteller mit, dass die Aussetzung der Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt werde, sofern die Sicherheitsleistung erbracht werde. Nach längeren Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und dem Finanzamt wurde am 20.12.2022 eine Grundschuld auf einem Grundstück zugunsten des Finanzamts eingetragen. Das Finanzamt gewährte nun erneut eine Aussetzung der Vollziehung, aber nur mit Wirkung ab dem 20.12.2022. Dies führte dazu, dass der Antragsteller Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 19.3.2022 bis zum 19.12.2022 in Höhe von ca. 17.000 € zahlen sollte. Er beantragte einen Abrechnungsbescheid und anschließend die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids statt: Zwar ist die Höhe der Säumniszuschläge verfassungsgemäß. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass Säumniszuschläge auch eine Gegenleistung für den Liquiditätsvorteil für den Steuerpflichtigen darstellen, wäre die Höhe von 12 % pro Jahr nicht unverhältnismäßig. Denn jedenfalls seit Beginn des Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt, ist die Niedrigzinsphase beendet worden. So sind z.B. die Zinssätze für private Überziehungskredite von 6,95 % im Februar 2022 auf 8,33 % im Dezember 2022 gestiegen. Ein im Säumniszuschlag enthaltener Gegenleistungsanteil wäre daher nicht mehr realitätsfremd. Es bestehen aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids, insbesondere hinsichtlich des Beginns der gewährten Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt hat die erneute Aussetzung nämlich erst mit Wirkung ab dem 20.12.2022 ausgesprochen. Allerdings spricht einiges dafür, dass die (erneute) Aussetzung der Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit, also rückwirkend ab Fälligkeit, gewährt wurde, so dass keine Säumniszuschläge verwirkt wurden. Denn das Finanzamt hat beim Widerruf der Aussetzung der Vollziehung selbst ausgeführt, dass die Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit ausgesetzt wird, sofern die Sicherheitsleistung erbracht wird. Da die Sicherheitsleistung durch Eintragung einer Grundschuld erbracht wurde, ist von einer rückwirkenden Aussetzung der Vollziehung auszugehen. Hinweise: Über die Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen kann abschließend nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der BFH geht bislang überwiegend von einer Verfassungsmäßigkeit aus. Hierzu passt auch das aktuelle Urteil, in dem der BFH nun erstmalig auf die gestiegenen Zinsen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hinweist. Geht man davon aus, dass in den Säumniszuschlägen keine Gegenleistung für den Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen enthalten ist, stellt der Säumniszuschlag nur ein Druckmittel dar, um den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung zu bewegen. Auf die Höhe der Zinsen am Markt und auf ein etwaiges Ungleichgewicht zwischen der Höhe des Säumniszuschlags und der Marktzinsen kommt es dann nicht an. Quelle: BFH, Beschluss vom 21.3.2025 – X B 21/25 (AdV); NWB