Aktuelles

Monat: Januar 2024

  • Keine umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung beim Verkauf von Rennpferden

    Keine umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung beim Verkauf von Rennpferden

    Die umsatzsteuerliche Durchschnittssatzbesteuerung für Landwirte gilt nicht beim Verkauf von Turnier- und Rennpferden. Denn Turnier- und Rennpferde sind nicht für die landwirtschaftliche Erzeugung bestimmt und insbesondere kein Vieh, sondern unterliegen dem Regelsteuersatz von 19 %. Hintergrund: Landwirte, deren Umsatz im Vorjahr 600.000 € nicht überschritten hat, können bei der Umsatzsteuer die sog. Durchschnittssatzbesteuerung anwenden. Ihre land- und forstwirtschaftlichen Leistungen unterliegen dann einer Umsatzsteuer von 9 % (Jahr 2023; im Jahr 2024 sinkt der Durchschnittssatz auf 8,4 %). Im Gegenzug wird eine pauschale Vorsteuer von 9 % berücksichtigt.Sachverhalt: Der Kläger betrieb eine Pferdezucht mit einem Pferdehandel und erzielte einkommensteuerlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Gewerbebetrieb. Er erwarb mehrere junge Reitpferde, bildete sie aus und verkaufte sie weiter. Die Umsatzsteuer aus dem Verkauf unterwarf er der Durchschnittssatzbesteuerung. Das Finanzamt unterwarf die Erlöse hingegen dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 %. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Zwar gilt für Forst- und Landwirte nach deutschem Recht grundsätzlich die Durchschnittssatzbesteuerung. Das deutsche Recht beruht aber auf dem europäischen Mehrwertsteuersystem und ist daher europarechtskonform auszulegen. Erforderlich für die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung ist daher die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind Gegenstände, die z. B. von einem landwirtschaftlichen Betrieb im Rahmen der Viehzucht und Viehhaltung erzeugt werden. Die Turnier- und Rennpferde sind nicht für die landwirtschaftliche Erzeugung bestimmt und werden insbesondere nicht für die Zubereitung von Lebens- oder Futtermitteln verwendet. Denn Turnier- und Rennpferde sind kein Vieh. Hinweise: Im Übrigen scheiterte die Durchschnittssatzbesteuerung auch daran, dass der Kläger die Ausbildung der Pferde nicht mit Mitteln ausübte, die normalerweise in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden. Auf die einkommensteuerliche und bewertungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Klägers kommt es für die Umsatzsteuer nicht an. Quelle: BFH, Urteil vom 13.9.2023 – XI R 37/21; NWB

  • Form der Klagerücknahme durch Steuerberater

    Form der Klagerücknahme durch Steuerberater

    Nimmt ein Steuerberater die beim Finanzgericht für seinen Mandanten erhobene Klage zurück, muss er hierfür das sog. besondere elektronische Postfach (beSt) benutzen und die Klagerücknahme mittels „beSt“ übermitteln. Anderenfalls ist die Klagerücknahme unwirksam, sodass das Finanzgericht über die Klage entscheiden muss. Hintergrund: Seit 1.1.2023 sind Steuerberater verpflichtet, für Schriftsätze an das Finanzgericht das sog. besondere elektronische Postfach (beSt) zu benutzen. Die Papierform oder das Telefax dürfen für Schriftsätze eines Steuerberaters an das Finanzgericht nicht mehr benutzt werden. Sachverhalt: Der Kläger ließ durch eine Steuerberatungsgesellschaft Klage beim Finanzgericht Münster (FG) erheben. Die Steuerberatungsgesellschaft erhob am 17.7.2023 per Telefax Klage. Das FG wies darauf hin, dass die Klage per „beSt“ hätte erhoben werden müssen. Die Steuerberatungsgesellschaft nahm die Klage nun zurück, übersandte den Rücknahmeschriftsatz jedoch per Post. Entscheidung: Das FG wies die Klage ab: Die Klage war unwirksam, weil sie am 17.7.2023 von einem Steuerberater per Telefax erhoben worden ist. Seit dem 1.1.2023 müssen Klagen, die durch einen Steuerberater eingereicht werden, per „beSt“ an das FG übermittelt werden. Das Gericht musste über die unwirksame Klage entscheiden, weil auch die Klagerücknahme unwirksam war. Denn die Klagerücknahme ist durch Brief per Post übermittelt worden, hätte aber ebenfalls per „beSt“ an das FG übermittelt werden müssen. Hinweise: Ist die Klagerücknahme wegen Verstoßes gegen die Übermittlungspflicht per „beSt“ unwirksam, könnte die Klagerücknahme noch wirksam per „beSt“ vorgenommen werden, indem ein Rücknahmeschriftsatz per „beSt“ hinterhergeschickt wird, bevor das Gericht entscheidet. Die Klagerücknahme hat den Vorteil, dass sich die Gerichtsgebühren halbieren. Weist das FG jedoch die Klage nach einer unwirksamen Klagerücknahme durch einen Gerichtsbescheid ab, weil sowohl die Klageerhebung als auch die Klagerücknahme unwirksam waren, kann zwar noch ein Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid gestellt und nun eine wirksame Klagerücknahme per „beSt“ übermittelt werden; dies führt wegen des bereits ergangenen Gerichtsbescheids aber nicht mehr zu einer Reduktion der Gerichtsgebühren. Die Pflicht, Schriftsätze per „beSt“ zu übermitteln, gilt auch für Schriftsätze, die von Steuerberatern an den Bundesfinanzhof übersandt werden. Sie gilt allerdings nicht, wenn ein nicht vertretener Steuerpflichtiger eine Klage oder einen Antrag beim FG erhebt. Für Rechtsanwälte gibt es eine vergleichbare Formvorschrift, und zwar bereits seit dem 1.1.2022: Sie müssen das sog. besondere elektronische Anwaltspostfach („beA“) verwenden. Quelle: FG Münster, Urteil vom 5.9.2023 – 9 K 1450/23 K, G, F; NWB

  • Widerruf der Gestattung der Ist-Versteuerung bei Missbrauchsverdacht

    Widerruf der Gestattung der Ist-Versteuerung bei Missbrauchsverdacht

    Ist dem Unternehmer die sog. Ist-Versteuerung gestattet worden, kann das Finanzamt die Gestattung nicht deshalb widerrufen, weil der Unternehmer von seinen Vertragspartnern jahrelang kein Geld erhalten und deshalb keine Umsatzsteuer abgeführt hat, seine Vertragspartner aber die in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuer geltend gemacht haben. Hintergrund: Auf Antrag kann das Finanzamt einem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, die sog. Ist-Versteuerung anzuwenden, sodass die Umsatzsteuer erst dann vom Unternehmer abzuführen ist, wenn er das Entgelt von seinem Kunden erhält. Bei der Soll-Versteuerung muss er die Umsatzsteuer hingegen bereits dann abführen, wenn er seine Leistung erbracht hat, ohne dass es auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt. Sachverhalt: Das Finanzamt hatte dem Kläger im Jahr 1987 die sog. Ist-Versteuerung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gestattet, sodass er die Umsatzsteuer erst abführen musste, wenn seine Rechnungen bezahlt werden. Der Kläger war als Geschäftsführer für mehrere GmbH unternehmerisch tätig und stellte ihnen seine Geschäftsführerleistungen in Rechnung und wies Umsatzsteuer gesondert aus. Die GmbH überwiesen die Rechnungsbeträge jahrelang nicht, machten aber die Vorsteuer geltend. Das Finanzamt stellte dies bei einer Außenprüfung im Jahr 2015 fest und widerrief die Gestattung der Ist-Versteuerung ab 2016. Das Finanzamt begründete dies mit einer missbräuchlichen Verwendung der Gestattung. Hiergegen klagte der Kläger. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt: Zwar stand die Gestattung der Ist-Versteuerung unter dem Vorbehalt eines Widerrufs. Der Widerruf darf aber nicht aus sachwidrigen Gründen erfolgen. Im Streitfall war die Begründung des Widerrufs sachwidrig. Denn das Finanzamt ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die GmbH, für die der Geschäftsführer unternehmerisch tätig war, die Vorsteuer aus den Rechnungen des Klägers auch ohne Bezahlung der Rechnung geltend machen konnten. Nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfolgen der Vorsteuerabzug und die Entstehung der Umsatzsteuer zeitgleich. Die GmbH könnten nach dieser Rechtsprechung die Vorsteuer daher erst dann abziehen, wenn sie die Rechnungen bezahlt haben und der Kläger dann auch die Umsatzsteuer abführen muss. Zwar wird in Deutschland der Vorsteuerabzug nicht nur bei der Soll-Versteuerung, sondern auch bei der Ist-Versteuerung zugelassen, wenn die Leistung ausgeführt worden ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt; auf die Bezahlung der Rechnung kommt es also nicht an. Nach dem EuGH ist aber ein zeitlicher Gleichklang zwischen Vorsteuerabzug und Entstehung der Umsatzsteuer erforderlich. Der Umstand, dass die GmbH die Vorsteuer schon vor der Zahlung geltend gemacht haben, beruht also nicht auf einem Missbrauch, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung des europäischen Mehrwertsteuerrechts durch den deutschen Staat. Hinweise: Bei den GmbHs, für die der Kläger tätig gewesen ist, dürfte es sich um „nahestehende“ Gesellschaften gehandelt haben, da eine jahrelange Nichtzahlung von Rechnungen unter fremden Dritten kaum akzeptiert werden dürfte und da die GmbH die Rechnungsbeträge auf Verrechnungskonten gebucht haben. Der BFH hat eine abschließende Entscheidung über den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung eines Ist-Versteuerers nicht getroffen, sondern nur über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs entschieden. Dennoch bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber tätig werden wird, um im Fall der Ist-Versteuerung zu verhindern, dass die Vorsteuer deutlich früher geltend gemacht wird, als die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt wird. Bei der sog. Soll-Versteuerung gibt es dieses Problem nicht, weil bei ihr ein zeitlicher Gleichklang besteht. Denn die Umsatzsteuer entsteht mit der Ausführung der Leistung, und der Leistungsempfänger kann mit der Ausführung der Leistung auch die Vorsteuer geltend machen, sofern er über eine ordnungsgemäße Rechnung verfügt. Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 5/21; NWB

  • Wechsel eines Landwirts von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung

    Wechsel eines Landwirts von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung

    Wechselt ein Landwirt von der sog. Durchschnittssatzbesteuerung zur „normalen“ Umsatzbesteuerung (sog. Regelbesteuerung), kann er die Vorsteuer aus einer Eingangsleistung im Jahr vor dem Wechsel nicht abziehen. Dies gilt auch dann, wenn er beabsichtigt, die Eingangsleistung für Umsätze zu verwenden, die er nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung ausführen will.Hintergrund: Landwirte, deren Umsatz im Vorjahr 600.000 € nicht überschritten hat, können die sog. Durchschnittssatzbesteuerung anwenden. Ihre Leistungen unterliegen dann einer Umsatzsteuer von aktuell 9 % (ab 1.1.2024 8,4 %), und im Gegenzug wird eine pauschale Vorsteuer von 9 % (ab 1.1.2024 8,4 %) berücksichtigt. Ein weiterer Vorsteuerabzug ist nach dem Gesetz ausgeschlossen. Sachverhalt: Die Klägerin betrieb eine Landwirtschaft mit Milchkühen und wandte im Jahr 2021 die Durchschnittssatzbesteuerung an. Allerdings lag ihr Umsatz im Jahr 2021 über der Umsatzgrenze von 600.000 €, sodass sie im Jahr 2022 zur Regelbesteuerung wechseln musste. Im Jahr 2021 bezog sie von einem anderen Unternehmen eine Leistung für ihren Milchkuhbetrieb; im Rechnungsbetrag war die Umsatzsteuer in Höhe von ca. 1.400 € gesondert ausgewiesen. Die Klägerin machte die Vorsteuer im Jahr 2021 mit der Begründung geltend, dass sie die Eingangsleistung für regelbesteuerte Umsätze im Jahr 2022 verwenden will. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nicht an und setzte die Umsatzsteuer für 2021 in Höhe von 0 € fest, indem es die Umsätze einer Umsatzsteuer von 10,7 % unterwarf und eine Vorsteuer von 10,7 % pauschal berücksichtigte (aktuell sind dies jeweils 9 %, ab 1.1.2024 8,4 %). Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Der Vorsteuerabzug im Jahr 2021 war ausgeschlossen, weil die Klägerin die Durchschnittssatzbesteuerung anwandte. Bei der Durchschnittssatzbesteuerung wird nur eine pauschale Vorsteuer anerkannt; ein darüber hinausgehender Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen. Der Vorsteuerausschluss gilt auch dann, wenn der Landwirt zur Regelbesteuerung wechselt und dieser Wechsel nicht freiwillig, sondern kraft Gesetzes wegen Überschreitung der Umsatzgrenze von 600.000 € erfolgt. Die Klägerin hätte die Vorsteuer nur dann im Jahr 2021 geltend machen können, wenn sie bereits im Jahr 2021 freiwillig zur Regelbesteuerung optiert hätte. Hinweis: Die Klägerin hat das Klageverfahren zwar verloren. Sie kann aber ab 2022 die Vorsteuer zu ihren Gunsten berichtigen, weil der Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung vom Gesetzgeber ausdrücklich als Grund für eine Vorsteuerberichtigung angesehen wird. Diese Berichtigung ermöglicht im Ergebnis einen Abzug der Vorsteuer, soweit das im Jahr 2021 angeschaffte Wirtschaftsgut ab 2022 für steuerpflichtige Umsätze, die der Regelbesteuerung unterliegen, verwendet wird. Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 14/22; NWB

  • Widerspruch gegen eine Gutschrift nach Umwandlung des Gutschriftenausstellers

    Widerspruch gegen eine Gutschrift nach Umwandlung des Gutschriftenausstellers

    Wird über eine Lieferung durch Gutschrift des Leistungsempfängers abgerechnet, muss sich ein späterer Widerspruch des leistenden Unternehmers gegen die Gutschrift im Fall der zwischenzeitlich erfolgten Ausgliederung des Leistungsempfängers auf eine GmbH gegen die übernehmende GmbH richten. Denn die übernehmende GmbH tritt hinsichtlich des auf sie ausgegliederten Vermögens in die Rechtsnachfolge des Leistungsempfängers und Gutschriftenausstellers ein. Hintergrund: Über eine Leistung kann entweder durch Rechnung des leistenden Unternehmers oder aber durch Gutschrift des Leistungsempfängers abgerechnet werden. Wird in einer Gutschrift Umsatzsteuer ausgewiesen, kann der Gutschriftaussteller diese Umsatzsteuer grundsätzlich als Vorsteuer geltend machen. Der leistende Unternehmer kann der Gutschrift aber widersprechen; mit dem Widerspruch verliert die Gutschrift ihre Wirkung als Rechnung, sodass mit dem Widerspruch auch der Vorsteuerabzug nicht mehr möglich ist. Sachverhalt: Die Klägerin war die X-AG, die im Juli 2010 Gold von den Unternehmern S und H erwarb. Die Klägerin rechnete noch im Juli 2010 gegenüber S und H durch Gutschriften mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ab. Im August 2010 gliederte die Klägerin ihren Bereich „Edelmetalle“ in die X-GmbH aus; die Ausgliederung wurde im August 2010 im Handelsregister eingetragen. Im September und November 2010 widersprachen S und H gegenüber der X-AG der Gutschrift. Die X-AG zog gleichwohl die Vorsteuer aus den Gutschriften ab. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug nicht an und begründete dies damit, dass sowohl H als auch S den Gutschriften widersprochen hätten. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte den Vorsteuerabzug der X-AG an und gab der Klage statt: Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs der Klägerin (X-AG) waren erfüllt, da ihr Gold von den Unternehmern (S und H) geliefert worden ist. Hierüber hat die X-AG mit Gutschriften mit gesondertem Umsatzsteuerausweis abgerechnet; die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer kann die X-AG als Vorsteuer abziehen. Der Widerspruch von S und von H gegen die Gutschriften war nicht wirksam. Denn beide haben ihren Widerspruch gegenüber der Klägerin, der X-AG, erklärt. Stattdessen hätten sie den Widerspruch gegenüber der übernehmenden X-GmbH äußern müssen. Die X-AG hat den Unternehmensbereich „Edelmetalle“ auf die X-GmbH ausgegliedert, sodass es insoweit zu einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge der X-GmbH gekommen ist. Die X-GmbH wurde dadurch Vertragspartnerin von S und H, sodass auch nur die X-GmbH im Fall eines wirksamen Widerspruchs ihr gegenüber entweder eine neue Gutschrift hätte erteilen können oder einen Anspruch gegen S und H auf Erteilung einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gerichtlich hätte durchsetzen können. Es kommt nicht darauf an, ob S und H von der Ausgliederung auf die X-GmbH Kenntnis hatten. Denn die Ausgliederung wurde im Handelsregister eingetragen, sodass S und H diese Eintragung aufgrund der sog. Publizitätswirkung des Handelsregisters gegen sich gelten lassen mussten. Hinweise: Der Goldverkauf ist zwar nach dem Gesetz umsatzsteuerfrei; allerdings besteht bei einer Goldlieferung unter Unternehmern die Möglichkeit, auf diese Steuerfreiheit zu verzichten. Durch Erteilung von Gutschriften mit gesondertem Umsatzsteuerausweis hat die Klägerin auf die Steuerfreiheit verzichtet. Dieser Verzicht hätte zwar wiederum widerrufen werden können, sodass es bei der Steuerfreiheit geblieben wäre. Hierzu wäre es aber erforderlich gewesen, dass S und H zunächst wirksam, also gegenüber der X-GmbH, der Gutschrift widersprechen und anschließend eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis erteilen.Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 41/20; NWB

  • Aufteilung des Ersatzwirtschaftswerts bei sog. einfacher gewerbesteuerlicher Kürzung

    Aufteilung des Ersatzwirtschaftswerts bei sog. einfacher gewerbesteuerlicher Kürzung

    Für die sog. einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG richtet sich der maßgebliche Ersatzwirtschaftswert allein nach dem Verhältnis der im Eigentum des Unternehmers stehenden Flächen zur Gesamtfläche (eigene und gepachtete Flächen). Der Ersatzwirtschaftswert darf nicht vorher in Wirtschaftsgruppen aufgeteilt werden, so dass dann nur bei der Wirtschaftsgruppe „Grundstücke“ der Anteil der gepachteten Flächen berücksichtigt wird. Hintergrund: Bei der Gewerbesteuer wird der Gewinn um 1,2 % des Einheitswerts des betrieblichen Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). In den neuen Bundesländern gibt es im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens keinen Einheitswert; vielmehr werden sog. Ersatzwirtschaftswerte festgestellt. Sachverhalt: Bei der Klägerin handelte es sich um eine GmbH, die einen Landwirtschaftsbetrieb in Sachsen unterhielt. Zu den von ihr landwirtschaftlich genutzten Flächen gehörten in erheblichem Umfang auch gepachtete Grundstücke. Die Klägerin berechnete die sog. einfache gewerbesteuerliche Kürzung in der Weise, dass sie den Ersatzwirtschaftswert zunächst in Wirtschaftsgruppen – Wirtschaftsgebäude und Betriebsmittel (zusammen 36 %) sowie Grundstücke (64 %) – aufteilte und als Bemessungsgrundlage für die Kürzung in Höhe von 1,2 % den Anteil des Ersatzwirtschaftswerts zu Grunde legte, der auf die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke sowie auf die Wirtschaftsgebäude und umlaufenden sowie stehenden Betriebsmittel entfiel. Dies führte zu einer Bemessungsgrundlage in den Streitjahren 2014 bis 2018 von ca. 200.000 €. Das Finanzamt stellte hingegen allein auf das Verhältnis der verpachteten zu den im Eigentum der Klägerin stehenden Flächen ab und berücksichtigte nicht den Teil des Ersatzwirtschaftswirtwerts, der der auf die im Eigentum der Klägerin stehenden Wirtschaftsgebäude sowie Betriebsmittel entfiel. Dies führte zu einer Bemessungsgrundlage von ca. 90.000 €.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich die Kürzung des Gewinns auf den eigenen Grundbesitz, der zum Betriebsvermögen gehört. Der Ersatzwirtschaftswert kann daher nur insoweit als Bemessungsgrundlage für die Kürzung herangezogen werden, als er auf den eigenen Grundbesitz der Klägerin entfällt und nicht auf die gepachteten Flächen. Dies war zwischen der Klägerin und dem Finanzamt auch nicht streitig. Die Ermittlung des Eigentumsanteils am Ersatzwirtschaftswert, die streitig war, erfolgt hingegen allein nach dem Verhältnis der eigenen zu den gepachteten Flächen. Denn weder Wirtschaftsgebäude noch Betriebsmittel gehen mit einem gesonderten Wert in die Berechnung des Ersatzwirtschaftswerts ein.Hinweise: Dem BFH zufolge kommt eine vorherige Aufteilung nach Wirtschaftsgruppen nicht in Betracht. Diese hätte dazu geführt, dass nur der auf die Grundstücke entfallende Teil in eigene und fremde Flächen aufzuteilen gewesen wäre. Die Kürzung des gewerbesteuerlichen Gewinns, wenn Grundstücke zum Betriebsvermögen gehören, erfolgt wegen der insoweit bestehenden Doppelbelastung des Gewerbebetriebs durch Grundsteuer und Gewerbesteuer. Die sog. einfache Kürzung, die 1,2 % des Einheitswerts bzw. Ersatzwirtschaftswerts beträgt, führt zu einer Minderung der Doppelbelastung. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt auch eine sog. erweiterte Kürzung in Betracht, bei der der gesamte Gewinn, der aus der Verwaltung eigenen Grundbesitzes erzielt wird, gewerbesteuerlich gekürzt wird; hier wird die Doppelbelastung also in vollem Umfang beseitigt. Quelle: BFH, Urteil vom 12.10.2023 – III R 34/21; NWB

  • Beachtung einer Vollmacht in der Vollmachtsdatenbank

    Beachtung einer Vollmacht in der Vollmachtsdatenbank

    Hat der Steuerberater eine uneingeschränkte, auf dem amtlichen Muster der Finanzverwaltung ausgestellte Vollmacht seines Mandanten, die auch die Bekanntgabe von Steuerbescheiden umfasst, in der Vollmachtsdatenbank hinterlegt, muss das Finanzamt diese Vollmacht bei der Bekanntgabe von Steuerbescheiden beachten und den Bescheid an den Steuerberater – und nicht an den Mandanten – übersenden. Es ist nicht erforderlich, dass seitens des Mandanten auch das sog. Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen verwendet wird. Hintergrund: Vollmachten für Steuerberater können in einer amtlichen Vollmachtsdatenbank hinterlegt werden, wenn hierfür das amtliche Vollmachtsformular verwendet wird. Auf dem Formular kann dann angekreuzt werden, ob die Vollmacht uneingeschränkt oder nur für bestimmte Steuerarten gelten soll und ob auch eine Bekanntgabevollmacht für die Entgegennahme von Steuerbescheiden erteilt wird. Die Vollmacht ist dann den Finanzämtern elektronisch zu übermitteln und von diesen zu beachten. Die Finanzverwaltung hat dem amtlichen Formular noch ein Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen beigefügt, in dem die Steuernummer(n) des Steuerpflichtigen mit dem jeweiligen Finanzamt anzugeben sind, für die die Vollmacht gelten soll. Sachverhalt: Der Kläger bevollmächtigte seinen Steuerberater S für alle Steuerarten und für den Empfang sämtlicher Steuerbescheide (Bekanntgabevollmacht); die Vollmacht enthielt also keine Beschränkungen für bestimmte Steuerarten. Der Kläger verwendete das amtliche Vollmachtsmuster der Finanzverwaltung. Auf dem Vollmachtsmuster war sowohl die Steueridentifikationsnummer des Klägers als auch seine Steuernummer für die Einkommensteuer angegeben. Die Vollmacht enthielt jedoch nicht das Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen. Die Vollmacht wurde in der Vollmachtsdatenbank hinterlegt und konnte vom Finanzamt seit dem 20.6.2017 abgerufen werden. Im Juni 2018 erwarb der Kläger ein Grundstück. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 27.6.2018 fest, den es dem Kläger selbst – und nicht dem S – bekanntgab. Der Kläger übergab den Bescheid dem S am 9.9.2019, also nach mehr als 14 Monaten. S legte am 12.9.2019 Einspruch beim Finanzamt ein, das den Einspruch als verspätet ansah und verwarf. Hiergegen erhob der Kläger Klage. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) sah den Einspruch als fristgerecht an und gab der Klage statt: Der Grunderwerbsteuerbescheid ist erst am 9.9.2019 mit der Übergabe des Bescheids durch den Kläger an den S wirksam bekanntgegeben worden, sodass der von S eingelegte Einspruch am 12.9.2019 innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist und damit fristgerecht erfolgt ist. Die Übersendung des Grunderwerbsteuerbescheids an den Kläger am 27.6.2018 war unwirksam, weil der Bescheid dem S hätte bekanntgegeben werden müssen. Denn der Kläger hatte dem S eine vollumfängliche Empfangsvollmacht erteilt, die in der Vollmachtsdatenbank hinterlegt worden war und die daher den Finanzämtern elektronisch zu übermitteln war. Das Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen war nicht Bestandteil des amtlichen Vollmachtsmusters und musste daher vom Kläger nicht verwendet werden. Denn der Umfang der Vollmacht ergibt sich bereits aus dem eigentlichen Vollmachtsformular, so dass die Angabe der Steuernummer(n) in dem Beiblatt und die Erklärung, dass die Vollmacht nur für die in dem Beiblatt angegebenen Steuernummern gelten soll, im Widerspruch zum Vollmachtsmuster stünde, das grundsätzlich auf eine uneingeschränkte Vertretung gerichtet ist, wenn nicht bestimmte Steuerarten im Vollmachtsmuster ausdrücklich ausgeschlossen werden. Da die Bekanntgabe an den Kläger unwirksam war, wurde dieser Bekanntgabemangel erst durch Übergabe des Bescheids am 9.9.2019 geheilt. Der Einspruch vom 12.9.2019 war damit fristgerecht. Inhaltlich gab es keinen Streit darüber, dass die Grunderwerbsteuer zu hoch festgesetzt worden war. Hinweise: Bei der Grunderwerbsteuer kommt die Besonderheit dazu, dass eine Steuernummer für jeden grunderwerbsteuerbaren Vorgang vergeben wird. Es ist also vorab gar nicht möglich, im Beiblatt die künftigen Grunderwerbsteuer-Steuernummern anzugeben. Das Urteil ist für Steuerpflichtige und ihre Berater erfreulich, weil der BFH deutlich macht, dass die Finanzverwaltung die auf dem amtlichen Vollmachtsmuster erteilten, und in der Vollmachtsdatenbank hinterlegten Vollmachten beachten muss und nicht auf das Fehlen des Beiblatts verweisen darf. Eine entgegen der in der Vollmachtsdatenbank hinterlegten Empfangsvollmacht erfolgte Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen selbst löst dann keine Einspruchsfrist aus. Quelle: BFH, Urteil vom 8.11.2023 – II R 19/21; NWB

  • Tarifermäßigung für Umsatzsteuer-Erstattungszinsen

    Tarifermäßigung für Umsatzsteuer-Erstattungszinsen

    Einem Unternehmer, der nach einem Rechtsstreit mit dem Finanzamt eine Umsatzsteuererstattung für mehrere Jahre sowie Erstattungszinsen für diese Umsatzsteuererstattung erhält, ist sowohl für die Umsatzsteuererstattung als auch für die Erstattungszinsen eine sog. Tarifermäßigung, die zu einem niedrigeren Steuersatz führt, zu gewähren. Hintergrund: Der Gesetzgeber gewährt für außerordentliche Einkünfte eine sog. Tarifermäßigung. Mit steigendem Einkommen steigt auch der Steuersatz (sog. Progression); diese Progressionswirkung wird aufgrund der Tarifermäßigung abgemildert. Eine der gesetzlich geregelten Fallgruppen der außerordentlichen Einkünfte sind Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten. Sachverhalt: Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Bilanzierung. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung für 1997 bis 2000 kam es zunächst zu hohen Umsatzsteuernachzahlungen. Er klagte gegen die Änderungsbescheide, und es kam nach mehreren Jahren im Jahr 2012 zu einer Einigung mit dem Finanzamt. Diese Einigung führte zu einer Minderung der Umsatzsteuer für 1997 bis 2000 um insgesamt ca. 320.000 € sowie zur Festsetzung von Umsatzsteuer-Erstattungszinsen in Höhe von ca. 200.000 €. Der Kläger erfasste sowohl die Umsatzsteuererstattung als auch die Erstattungszinsen in seinem Jahresabschluss zum 31.12.2012 gewinnerhöhend und beantragte die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte. Das Finanzamt gewährte die Tarifermäßigung zwar für die Umsatzsteuererstattung, nicht aber für die Erstattungszinsen.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte die Tarifermäßigung für die Erstattungszinsen an und gab der Klage statt: Bei den Erstattungszinsen handelte es sich um außerordentliche Einkünfte, nämlich um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit. Die Tätigkeit war in der mehrjährigen Kapitalüberlassung an das Finanzamt zu sehen, da der Kläger zu viel Umsatzsteuer an das Finanzamt überwiesen hatte. Die Tätigkeit war auch mehrjährig, weil sich die Kapitalüberlassung über mindestens zwei Veranlagungszeiträume und über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten erstreckte. Ferner war auch die Außerordentlichkeit der Einkünfte zu bejahen, weil die Einkünfte zusammengeballt im Jahr 2012 entstanden sind. Die Erstattungszinsen und die Umsatzsteuererstattung für 1997 bis 2000 waren zum 31.12.2012 gewinnerhöhend zu aktivieren und erhöhten die Progressionswirkung, d. h. den Steuersatz. Die Außerordentlichkeit zeigt sich daran, dass die Zinsen i. H. von ca. 200.000 € etwa 63 % der Umsatzsteuererstattung i. H. von ca. 320.000 € ausmachten. Zusammen machten die Umsatzsteuererstattung sowie die Erstattungszinsen fast 39 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Klägers (ca. 525.000 €) aus. Hinweise: Die Tarifermäßigung für die Umsatzsteuererstattung war nicht streitig, weil sie vom Finanzamt anerkannt worden war. Der BFH macht nun deutlich, dass für die Erstattungszinsen zu einer Umsatzsteuererstattung, die einen mehrjährigen Zeitraum betrifft, nichts anderes gelten kann als für die Umsatzsteuererstattung selbst: Für beide Beträge wird eine Tarifermäßigung gewährt, wenn sie jeweils mehrjährige Zeiträume (1997 bis 2000) betreffen. Handelt es sich hingegen um eine Umsatzsteuererstattung für nur ein einziges Jahr und dementsprechend auch nur um Erstattungszinsen für ein Jahr, fehlt es an der Außerordentlichkeit der Einkünfte, so dass keine Tarifermäßigung gewährt wird. Der BFH weicht in seinem aktuellen Urteil von dem Urteil eines anderen BFH-Senats aus dem Jahr 2013 ab, der die Tarifermäßigung versagt hatte. Der andere Senat hat vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung aber mitgeteilt, dass er an seiner Entscheidung aus dem Jahr 2013 nicht mehr festhält. Quelle: BFH, Urteil vom 30.8.2023 – X R 2/22; NWB

  • Organschaft bei unterjähriger Verschmelzung

    Organschaft bei unterjähriger Verschmelzung

    Wird bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft der Organträger im Laufe des Wirtschaftsjahrs auf eine Personen- oder Kapitalgesellschaft verschmolzen, tritt die übernehmende Personen- oder Kapitalgesellschaft aufgrund der Verschmelzung in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, so dass die bislang bestehende finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ganzjährig besteht und die Organschaft steuerlich anzuerkennen ist.Hintergrund: Bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet und von diesem versteuert. Eine Organschaft setzt u.a. einen Ergebnisabführungsvertrag sowie eine finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahrs voraus; der Organträger muss also bei einem Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht, vom 1.1. an die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft haben.Sachverhalt: Der Bundesfinanzhof (BFH) musste über drei Fälle entscheiden, in denen am 1.1. des Wirtschaftsjahrs eine Organschaft bestand und im Laufe des Jahres der Organträger (OT 1) auf eine Kapitalgesellschaft oder auf eine Personengesellschaft (OT 2) verschmolzen wurde. Die jeweilige Verschmelzung erfolgte zwar mit einer sog. Rückwirkung, aber nicht auf den 1.1., sondern auf einen späteren Stichtag, z.B. den 1.4. Die jeweilige Organgesellschaft rechnete ihr Einkommen dem jeweiligen Organträger (OT 1 bzw. OT 2) am 31.12. zu. Das Finanzamt verneinte eine Organschaft, weil die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft zur übernehmenden OT 2 nicht von Beginn des Wirtschaftsjahrs an bestanden habe, sondern erst ab dem 1.4.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab den hiergegen gerichteten Klagen im Grundsatz statt: Die für eine Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger war in den Streitfällen zu bejahen. Denn es bestand durchgängig von Beginn des Wirtschaftsjahrs an eine Mehrheitsbeteiligung eines Organträgers an der Organgesellschaft. Zwar war die Organgesellschaft nur vom 1.4. bis zum 31.12. in den OT 2 finanziell eingegliedert und nicht bereits vom 1.1. an. Jedoch wird dem OT 2 die vom 1.1. bis 31.3. bestehende finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den OT 1 zugerechnet. Denn aufgrund der Verschmelzung ist der OT 2 Rechtsnachfolger des OT 1 geworden, so dass ihm die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den OT 1 zugerechnet wird. Unbeachtlich ist somit, dass die Verschmelzung des OT 1 auf den OT 2 rückwirkend nur auf den 1.4. und nicht auf den 1.1. erfolgt ist. Hinweise: Der BFH widerspricht der Finanzverwaltung, die erst ab dem rückwirkenden Übertragungsstichtag (im o. g. Fall der 1.4.) eine finanzielle Eingliederung bejaht, so dass eine Organschaft nur dann anzunehmen ist, wenn die Umwandlung bzw. Verschmelzung rückwirkend zum 1.1. erfolgt. Quelle: BFH, Urteile vom 11.7.2023 – I R 21/20 (unterjährige Verschmelzung auf Personengesellschaft), I R 36/20 und I R 45/20 (jeweils unterjährige Verschmelzung auf Kapitalgesellschaft); NWB

  • Organschaft bei unterjährigem qualifiziertem Anteilstausch

    Organschaft bei unterjährigem qualifiziertem Anteilstausch

    Bringt ein Alleingesellschafter einer GmbH (GmbH 1) seine GmbH-Anteile in eine andere GmbH (GmbH 2) im Wege eines sog. qualifizierten Anteilstauschs unterhalb des gemeinen Werts der Anteile ein und wird anschließend im Lauf des Jahres eine Organschaft zwischen der GmbH 1 als Organgesellschaft und der GmbH 2 als Organträger begründet., ist die für die Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung der GmbH 1 in die GmbH 2 zu bejahen; denn die GmbH 2 tritt in die Rechtsstellung des Alleingesellschafters ein, so dass von Beginn des Wirtschaftsjahrs an eine finanzielle Eingliederung der GmbH 1 zu bejahen war. Hintergrund: Bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet und von diesem versteuert. Eine Organschaft setzt u.a. einen Ergebnisabführungsvertrag sowie eine finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahrs voraus; der Organträger muss also bei einem Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht, vom 1.1. die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft haben.Sachverhalt: Der C war seit 2008 Alleingesellschafter der OG-GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entsprach. Im Januar 2010 gründete C die B-GmbH. Er brachte seine Anteile an der OG-GmbH am 15.1.2010 im Wege eines sog. Qualifizierten Anteilstauschs zum Buchwert, also unterhalb des gemeinen Werts, in die B-GmbH ein, so dass die B-GmbH Alleingesellschafterin der OG-GmbH war. Im Februar 2010 schloss die B-GmbH mit der OG-GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab, der für eine Organschaft erforderlich ist. Die OG-GmbH machte für 2010 eine Organschaft geltend und rechnete ihr Einkommen der B-GmbH zu. Das Finanzamt behandelte die Gewinnabführung durch die OG-GmbH an die B-GmbH als Gewinnausschüttung und setzte Körperschaftsteuer gegenüber der OG-GmbH fest. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte eine Organschaft zwischen der OG-GmbH und der B-GmbH und gab der Klage der OG-GmbH statt: Die für eine Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung der OG-GmbH in den Organträger war zu bejahen. Zwar war die OG-GmbH erst ab dem 15.1.2010 in die B-GmbH finanziell eingegliedert. Die OG-GmbH war aber vom 1.1.2010 bis zum 15.1.2010 in den C finanziell eingegliedert, da dieser als Alleingesellschafter die Stimmenmehrheit hielt. Der B-GmbH war die finanzielle Eingliederung der OG-GmbH in den C im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 15.1.2010 zuzurechnen, da die B-GmbH in die Rechtsstellung des C hinsichtlich der finanziellen Eingliederung eingetreten ist. Denn aufgrund des qualifizierten Anteilstauschs unterhalb des gemeinen Wertes, nämlich zum Buchwert, kam es zu einer Rechtsnachfolge der B-GmbH. Hinweise: Unbeachtlich war, dass der Beginn des Wirtschaftsjahrs der OG-GmbH (1.1.2010) nicht mit dem umwandlungsteuerlichen Übertragungsstichtag (15.1.2010) identisch war. Ebenso war es unschädlich, dass am 1.1.2010 noch keine Organschaft zwischen der OG-GmbH und dem C bestand. Die Rechtsnachfolge bei einem umwandlungssteuerlichen Vorgang wie im Streitfall wird auch als Fußstapfentheorie bezeichnet, weil der übernehmende Rechtsträger (B-GmbH) in die Fußstapfen des übertragenden Rechtsträgers (C) tritt. Quelle: BFH, Urteil vom 11.7.2023 – I R 40/20; NWB