Aktuelles
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Abgabe der Steuererklärung nach Bekanntgabe eines Schätzungsbescheids
Hat das Finanzamt einen Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen, weil der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben hat, ist die Abgabe der Steuererklärung nach Ablauf der Einspruchsfrist als Antrag auf Änderung des Vorbehaltsbescheids auszulegen. Dieser Antrag führt dazu, dass die Verjährungsfrist nicht abläuft, solange das Finanzamt über diesen Antrag nicht entschieden hat. Hintergrund: Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid kann auch nach Ablauf der Einspruchsfrist zuungunsten des Steuerpflichtigen oder – auf Antrag – zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden. Wird der Antrag vor Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt, läuft die Verjährungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Sachverhalt: Die Klägerin war eine Personengesellschaft. Nachdem sie für das Streitjahr 2009 keine Gewinnfeststellungserklärung abgegeben hatte, erließ das Finanzamt am 18.1.2012 einen Schätzungsbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging und mit dem das Finanzamt Einkünfte in Höhe von 0 € feststellte. Hiergegen legte die Klägerin zwar Einspruch ein, nahm diesen aber wieder zurück. Am 4.8.2014 und damit mehr als zwei Jahre nach Erlass des Schätzungsbescheids reichte die Klägerin die Gewinnfeststellungserklärung ein und erklärte einen Verlust von ca. 1,2 Mio. €. Das Finanzamt reagierte hierauf nicht, sondern erließ am 1.12.2016 erneut einen Feststellungsbescheid für 2009, der ebenfalls Einkünfte in Höhe von 0 € auswies und gleichermaßen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging; der Bescheid enthielt keinen Hinweis darauf, ob damit der Bescheid vom 18.1.2012 geändert werden sollte. Im Dezember 2017 lehnte das Finanzamt die Änderung des Feststellungsbescheids für 2009 wegen Eintritts der Feststellungsverjährung ab. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt: Zwar wäre an sich die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2016 eingetreten, da die Verjährungsfrist insgesamt sieben Jahre beträgt, wenn innerhalb der ersten drei Jahre keine Steuererklärung abgegeben wird, so dass erst nach Ablauf von drei Jahren die reguläre vierjährige Verjährungsfrist beginnt. Allerdings wurde der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt. Denn die Klägerin hat vor dem 31.12.2016 einen Antrag auf Änderung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheids gestellt. In der Abgabe der Feststellungserklärung war ein Antrag auf Änderung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätzungsbescheids zu sehen. Soweit über den Antrag noch nicht entschieden worden ist, läuft die Verjährungsfrist nach dem Gesetz nicht ab. In dem Erlass des zweiten Gewinnfeststellungsbescheids vom 1.12.2016 ist keine Entscheidung über den Änderungsantrag vom 4.8.2014 zu sehen. Der zweite Bescheid vom 1.12.2016 war nämlich nichtig, da bereits ein Bescheid für 2009 vorlag, nämlich der Bescheid vom 18.1.2012, und da nicht deutlich wurde, in welchem Verhältnis der Bescheid vom 1.12.2016 zum ersten Bescheid vom 18.1.2012 stand. Es fand sich insbesondere kein Hinweis auf eine Änderung des Bescheids vom 18.1.2012. Hinweise: Der BFH macht deutlich, dass nach Ergehen eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätzungsbescheids kein ausdrücklicher Antrag auf Änderung gestellt werden muss, sondern dass die kommentarlose Abgabe der Steuererklärung genügt, damit der Bescheid noch geändert werden kann. Wäre die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen gewesen, wäre in der Abgabe der Steuererklärung vor Ablauf der Einspruchsfrist ein Einspruch zu sehen gewesen. Vorsicht ist indes geboten, wenn der Ablauf der Festsetzungsverjährung bevorsteht und bislang weder ein Steuerbescheid vorliegt noch die Steuererklärung abgegeben worden ist. Rechnet der Steuerpflichtige mit einer Steuererstattung, sollte er unbedingt seine Steuererklärung vor Eintritt der Festsetzungsverjährung abgeben und ausdrücklich einen Antrag auf Steuerfestsetzung stellen. Die kommentarlose Abgabe einer Steuererklärung, zu deren Abgabe der Steuerpflichtige verpflichtet ist, stellt nach der Rechtsprechung des BFH keinen verjährungshemmenden Antrag auf Steuerfestsetzung dar. Quelle: BFH, Urteil v. 7.8.2024 – IV R 9/22; NWB
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Verbraucherschutz: Geld zurück von primastrom, voxenergie und nowenergy – Frist endet Ende Dezember
Kunden von primastrom, voxenergie und nowenergy können nach einem außergerichtlichen Vergleich zwischen der Primaholding-Gruppe und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Geld zurück erhalten sowie ihre Verträge vorzeitig beenden. Hierfür müssen sie allerdings bis zum Jahresende tätig werden. Hierauf macht der vzbv aufmerksam.Hintergrund: 3.912 € hat Frank K. aus Brandenburg von seinem Gasanbieter zurückbekommen. Der Verbraucher berief sich auf den außergerichtlichen Vergleich des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) mit der Primaholding-Gruppe, zu der die Strom- und Gasanbieter primastrom, voxenergie und nowenergy gehören. Zuvor hatte der vzbv Sammelklagen gegen die Anbieter geführt und weitere geplant – unter anderem wegen eigenmächtiger Preiserhöhungen und Festhaltens an gekündigten Verträgen. Noch bis Ende des Jahres können sich betroffene Kunden genau wie Frank K. auf den Vergleich berufen und Geld zurückerhalten sowie früher aus ihrem Vertrag kommen. Hierzu führt der vzbv u.a. weiter aus:Wer sich auf den außergerichtlichen Vergleich beruft, dessen Preise können rückwirkend auf bis zu 27 Cent/ kWh für Strom und bis zu 7 Cent/ kWh für Gas gesenkt werden. Regina H. aus Sachsen sollte laut ihrer Stromrechnung vom Februar 2024 stolze 103,22 Cent/ kWh für ihren primastrom-Vertrag zahlen. Nachdem sie sich auf den außergerichtlichen Vergleich berief, hat das Unternehmen die Arbeitspreise nachträglich reduziert, zeitweise auf 27 Cent/kWh beziehungsweise auf 33 Cent/kWh. Auch Kunden, die den Anbieter bereits gewechselt haben, können wie Regina H. noch von dem Vergleich profitieren.Der Vergleich kann es Kunden auch ermöglichen, früher als gedacht aus dem Vertrag zu kommen. So teilte Frank S. aus Hessen der Verbraucherzentrale mit, dass sein Stromvertrag mit nowenergy noch bis März 2027 laufen sollte. Das Unternehmen hat ihm ebenfalls reduzierte Preise und ein Vertragsende zum 19.1.2025 bestätigt – zwei Jahre früher als ursprünglich vorgesehen.Die außergerichtliche Einigung räumt folgende Probleme ab, in denen primaholding-Unternehmen aus Sicht des vzbv unzulässig gegenüber Kunden agierten:Zurückgewiesene WiderrufserklärungenUnverhältnismäßig lange Laufzeiten nach KündigungAngebliche Preissenkungen, die weit über dem Marktdurchschnitt lagenKunden müssen aktiv werden:Wer gegenüber primastrom, voxenergie oder nowenergy den Widerruf oder die Kündigung bereits erklärt hat, muss sich gegenüber diesen Anbietern nun nur noch auf den Vergleich berufen. Dafür genügt eine E-Mail. Textbausteine und weitere Informationen, wohin sich die Betroffenen wenden können, finden Sie unter https://www.sammelklagen.de/verfahren/primaholding.Die Frist dafür endet am 31.12.2024.Wer seinen Vertrag noch nicht gekündigt hat, kann das nachholen, um vom Vergleich zu profitieren und je nach Fallkonstellation bessere Konditionen zu erhalten. Hinweis:Der Vergleichs-Check des vzbv gibt Orientierung für die unterschiedlichen Fallkonstellationen. Verbraucher erfahren genau, was sie aufgrund des Vergleichs bekommen und wie sie ihre Forderung aus dem Vergleich geltend machen.Weiterführende Informationen zu den Einzelheiten des Vergleichs finden Sie auf der Homepage des vzbv.Quelle: vzbv online, Meldung v. 4.12.2024; NWB
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Anforderung von Mietverträgen durch das Finanzamt und Datenschutz
Fordert das Finanzamt beim Vermieter die Vorlage von Mietverträgen zwecks Überprüfung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, muss es zwar die Vorschriften des Datenschutzes beachten. Der Datenschutz wird aber grundsätzlich nicht verletzt, wenn die Überprüfung der Mietverträge der Steuererhebung und der Bekämpfung der Steuerhinterziehung dient. Insbesondere führt der Datenschutz nicht dazu, dass der Mieter in die Vorlage des Mietvertrags einwilligen muss.Hintergrund: Das Finanzamt kann vom Steuerpflichtigen oder auch von Dritten die Vorlage von Urkunden wie z.B. Aufzeichnungen oder Geschäftspapieren verlangen. Sachverhalt: Die Klägerin war Eigentümerin mehrerer Immobilien und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen der Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen für 2018 und 2019 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Kopien der Mietverträge einer ihrer Immobilien an. Die Klägerin legte lediglich eine Aufstellung der Mieteinnahmen mit den geschwärzten Namen der Mieter sowie eine Aufstellung der Betriebskosten vor, nicht aber die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen. Gegen die Aufforderung des Finanzamts wehrte sich die Klägerin durch Einspruch und Klage.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: Das Finanzamt darf Unterlagen anfordern, wenn dies zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Vorlage für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt. Das Finanzamt benötigte die Mietverträge, um die Höhe der Mieten und deren Angemessenheit zu überprüfen, um Abweichungen von den tatsächlich geleisteten Mietzahlungen sowie Mieterhöhungen zu ermitteln und um die Umlagefähigkeit von Nebenkosten feststellen zu können. Die Namen der Mieter waren erforderlich, um die einzelnen Zahlungen dem jeweiligen Mietverhältnis zuordnen zu können und um überprüfen zu können, ob einzelne Wohnungen nahen Angehörigen überlassen wurden. Ein milderes Mittel stand dem Finanzamt nicht zur Verfügung; insbesondere wäre die Befragung der einzelnen Mieter kein milderes Mittel gewesen, da deren Namen dem Finanzamt gerade nicht bekannt waren. Außerdem sollen Dritte nach dem Gesetz erst dann befragt werden, wenn die Aufklärung beim Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat. Die Anforderung der Unterlagen verstieß nicht gegen den Datenschutz. Zwar werden die Angaben in Mieterverträgen vom Datenschutz erfasst. Nach den Regelungen des Datenschutzes der EU ist eine Offenlegung geschützter Daten jedoch zulässig, wenn dies den wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen eines EU-Staates dient, etwa bei der Steuererhebung oder bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Daher durfte das Finanzamt die Mietverträge von der Klägerin anfordern. Hinweise: Die Aufforderung des Finanzamts, Unterlagen vorzulegen, kann mit einem Einspruch und ggf. Klage angefochten werden. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat der BFH abgelehnt. Dem BFH zufolge hat der EuGH bereits geklärt, dass die Steuererhebung und die Bekämpfung der Steuerhinterziehung eine Aufgabe im öffentlichen Interesse ist und daher den Datenschutz einschränkt. Das Urteil betrifft die Anforderung von Unterlagen außerhalb einer Betriebsprüfung. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gibt es eine spezielle Vorschrift für die Vorlage von Unterlagen. Das Urteil dürfte sich jedoch auf die Anforderung von Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung übertragen lassen, soweit es den Datenschutz betrifft. Quelle: BFH, Urteil vom 13.8.2024 – IX R 6/23; NWB