Aktuelles
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Organschaft bei unterjähriger Verschmelzung
Wird bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft der Organträger im Laufe des Wirtschaftsjahrs auf eine Personen- oder Kapitalgesellschaft verschmolzen, tritt die übernehmende Personen- oder Kapitalgesellschaft aufgrund der Verschmelzung in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, so dass die bislang bestehende finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ganzjährig besteht und die Organschaft steuerlich anzuerkennen ist.Hintergrund: Bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet und von diesem versteuert. Eine Organschaft setzt u.a. einen Ergebnisabführungsvertrag sowie eine finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahrs voraus; der Organträger muss also bei einem Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht, vom 1.1. an die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft haben.Sachverhalt: Der Bundesfinanzhof (BFH) musste über drei Fälle entscheiden, in denen am 1.1. des Wirtschaftsjahrs eine Organschaft bestand und im Laufe des Jahres der Organträger (OT 1) auf eine Kapitalgesellschaft oder auf eine Personengesellschaft (OT 2) verschmolzen wurde. Die jeweilige Verschmelzung erfolgte zwar mit einer sog. Rückwirkung, aber nicht auf den 1.1., sondern auf einen späteren Stichtag, z.B. den 1.4. Die jeweilige Organgesellschaft rechnete ihr Einkommen dem jeweiligen Organträger (OT 1 bzw. OT 2) am 31.12. zu. Das Finanzamt verneinte eine Organschaft, weil die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft zur übernehmenden OT 2 nicht von Beginn des Wirtschaftsjahrs an bestanden habe, sondern erst ab dem 1.4.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab den hiergegen gerichteten Klagen im Grundsatz statt: Die für eine Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger war in den Streitfällen zu bejahen. Denn es bestand durchgängig von Beginn des Wirtschaftsjahrs an eine Mehrheitsbeteiligung eines Organträgers an der Organgesellschaft. Zwar war die Organgesellschaft nur vom 1.4. bis zum 31.12. in den OT 2 finanziell eingegliedert und nicht bereits vom 1.1. an. Jedoch wird dem OT 2 die vom 1.1. bis 31.3. bestehende finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den OT 1 zugerechnet. Denn aufgrund der Verschmelzung ist der OT 2 Rechtsnachfolger des OT 1 geworden, so dass ihm die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den OT 1 zugerechnet wird. Unbeachtlich ist somit, dass die Verschmelzung des OT 1 auf den OT 2 rückwirkend nur auf den 1.4. und nicht auf den 1.1. erfolgt ist. Hinweise: Der BFH widerspricht der Finanzverwaltung, die erst ab dem rückwirkenden Übertragungsstichtag (im o. g. Fall der 1.4.) eine finanzielle Eingliederung bejaht, so dass eine Organschaft nur dann anzunehmen ist, wenn die Umwandlung bzw. Verschmelzung rückwirkend zum 1.1. erfolgt. Quelle: BFH, Urteile vom 11.7.2023 – I R 21/20 (unterjährige Verschmelzung auf Personengesellschaft), I R 36/20 und I R 45/20 (jeweils unterjährige Verschmelzung auf Kapitalgesellschaft); NWB
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Organschaft bei unterjährigem qualifiziertem Anteilstausch
Bringt ein Alleingesellschafter einer GmbH (GmbH 1) seine GmbH-Anteile in eine andere GmbH (GmbH 2) im Wege eines sog. qualifizierten Anteilstauschs unterhalb des gemeinen Werts der Anteile ein und wird anschließend im Lauf des Jahres eine Organschaft zwischen der GmbH 1 als Organgesellschaft und der GmbH 2 als Organträger begründet., ist die für die Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung der GmbH 1 in die GmbH 2 zu bejahen; denn die GmbH 2 tritt in die Rechtsstellung des Alleingesellschafters ein, so dass von Beginn des Wirtschaftsjahrs an eine finanzielle Eingliederung der GmbH 1 zu bejahen war. Hintergrund: Bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet und von diesem versteuert. Eine Organschaft setzt u.a. einen Ergebnisabführungsvertrag sowie eine finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahrs voraus; der Organträger muss also bei einem Wirtschaftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht, vom 1.1. die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft haben.Sachverhalt: Der C war seit 2008 Alleingesellschafter der OG-GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entsprach. Im Januar 2010 gründete C die B-GmbH. Er brachte seine Anteile an der OG-GmbH am 15.1.2010 im Wege eines sog. Qualifizierten Anteilstauschs zum Buchwert, also unterhalb des gemeinen Werts, in die B-GmbH ein, so dass die B-GmbH Alleingesellschafterin der OG-GmbH war. Im Februar 2010 schloss die B-GmbH mit der OG-GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab, der für eine Organschaft erforderlich ist. Die OG-GmbH machte für 2010 eine Organschaft geltend und rechnete ihr Einkommen der B-GmbH zu. Das Finanzamt behandelte die Gewinnabführung durch die OG-GmbH an die B-GmbH als Gewinnausschüttung und setzte Körperschaftsteuer gegenüber der OG-GmbH fest. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte eine Organschaft zwischen der OG-GmbH und der B-GmbH und gab der Klage der OG-GmbH statt: Die für eine Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung der OG-GmbH in den Organträger war zu bejahen. Zwar war die OG-GmbH erst ab dem 15.1.2010 in die B-GmbH finanziell eingegliedert. Die OG-GmbH war aber vom 1.1.2010 bis zum 15.1.2010 in den C finanziell eingegliedert, da dieser als Alleingesellschafter die Stimmenmehrheit hielt. Der B-GmbH war die finanzielle Eingliederung der OG-GmbH in den C im Zeitraum vom 1.1.2010 bis 15.1.2010 zuzurechnen, da die B-GmbH in die Rechtsstellung des C hinsichtlich der finanziellen Eingliederung eingetreten ist. Denn aufgrund des qualifizierten Anteilstauschs unterhalb des gemeinen Wertes, nämlich zum Buchwert, kam es zu einer Rechtsnachfolge der B-GmbH. Hinweise: Unbeachtlich war, dass der Beginn des Wirtschaftsjahrs der OG-GmbH (1.1.2010) nicht mit dem umwandlungsteuerlichen Übertragungsstichtag (15.1.2010) identisch war. Ebenso war es unschädlich, dass am 1.1.2010 noch keine Organschaft zwischen der OG-GmbH und dem C bestand. Die Rechtsnachfolge bei einem umwandlungssteuerlichen Vorgang wie im Streitfall wird auch als Fußstapfentheorie bezeichnet, weil der übernehmende Rechtsträger (B-GmbH) in die Fußstapfen des übertragenden Rechtsträgers (C) tritt. Quelle: BFH, Urteil vom 11.7.2023 – I R 40/20; NWB
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Grundsteuer: Zweifel an der Rechtmäßigkeit der neuen Grundstücksbewertung
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der auf den 1.1.2022 bundesweit vorzunehmenden Grundstücksbewertung, die die Grundlage für die neue Grundsteuer zum 1.1.2025 ist. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung gewährt und die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Hintergrund: Die Grundsteuer wird aus verfassungsrechtlichen Gründen derzeit reformiert, da die bisherigen Grundstücksbewertungen, die die Grundlage für die Grundsteuer waren, nicht mehr die zutreffenden Werte abbildeten, sondern veraltet waren. Deshalb werden zum Stichtag 1.1.2022 alle Grundstücke in der Bundesrepublik neu bewertet. Auf der Grundlage dieser Bewertung wird dann ab dem 1.1.2025 die Grundsteuer neu festgesetzt werden. Sachverhalte: Dem FG lagen zwei Sachverhalte zu Grunde, bei denen die Bewertung nach dem sog. Bundesmodell vorgenommen wurde. Im ersten Fall ging es um ein 1880 errichtetes Einfamilienhaus, das seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden war. Das Finanzamt legte den gesetzlich normierten Mietwert zu Grunde und gelangte zu einem Grundsteuerwert von 91.600 €. Der Antragsteller hielt den Mietwert für überhöht und beantragte im Umfang des überhöhten Betrags die Aussetzung der Vollziehung. Im zweiten Fall ging es um ein 1977 errichtetes Einfamilienhaus, das an einem Hang in zweiter Reihe lag und nur über einen Privatweg erreichbar war. Das Finanzamt legte der Bewertung zum 1.1.2022 den Bodenrichtwert von 300 €/qm zu Grunde und bewerte das 1.053 qm große Grundstück mit 318.800 €. Der Antragsteller machte einen Abschlag auf den Bodenrichtwert in Höhe von 30 % geltend und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Entscheidung: Das FG gab beiden Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung statt: Die Aussetzung der Vollziehung setzt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids voraus. Diese ernstlichen Zweifel waren in beiden Fällen zu bejahen. So bestehen bereits Bedenken, ob die rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse, die an der Ermittlung der Bodenrichtwerte beteiligt sind, wirklich unabhängig sind; die Möglichkeit einer Einflussnahme kann nach den Regelungen über die Zusammensetzung der Ausschüsse nicht ausgeschlossen werden. Zudem könnte auch die Datengrundlage für die Ermittlung der Bodenrichtwerte zweifelhaft sein, weil Datenlücken zu befürchten sind. Die Bodenrichtwerte müssen zudem häufig aus einem Gesamtkaufpreis, der für ein bebautes Grundstück gezahlt wird, abgeleitet werden. Hier droht ein sog. Vollzugsdefizit, weil die Gutachterausschüsse den Sachverhalt nicht hinreichend ermitteln und die Angaben in den Kaufverträgen nicht hinreichend überprüfen können. Weiterhin können durch die typisierte und pauschale Bewertung erhebliche Härten entstehen, weil die individuellen Umstände des einzelnen Grundstücks unberücksichtigt bleiben und nicht durch ein Gutachten belegt werden dürfen. Die neue Grundstücksbewertung dürfte einerseits zu einer systematischen Überbewertung von Immobilien in schlechteren Lagen bzw. in schlechterem Zustand und andererseits zu einer systematischen Unterbewertung von Immobilien in guter Lage bzw. gutem Zustand führen. Hinweise: Es handelt sich um Beschlüsse im Eilverfahren. Ob die neue Grundstücksbewertung nach dem Bundesmodell tatsächlich verfassungswidrig ist, kann nur das Bundesverfassungsgericht beurteilen, das bislang noch nicht angerufen worden ist. Bis dahin besteht also erhebliche Rechtsunsicherheit. Zudem ist noch nicht bekannt, ob die Grundsteuer-Hebesätze ab dem 1.1.1925 von den einzelnen Gemeinden gesenkt werden; der Umfang der steuerlichen Auswirkung der Grundsteuerreform ist also noch nicht klar. Solange die Grundsteuer zu den umlagefähigen Betriebskosten gehört, trägt bei vermieteten Immobilien der Mieter die Grundsteuer. Die Aussetzung der Vollziehung führt in den beiden Verfahren dazu, dass die Grundsteuer ab dem 1.1.2025 auf der Grundlage der niedrigeren, von den Antragstellern geltend gemachten Grundstückswerten vorläufig festzusetzen ist. Das FG hat die Beschwerde zum BFH zugelassen, so dass die aktuellen Beschlüsse noch nicht rechtskräftig sind. Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 23.11.2023 – 4 V1295/23 und 4 V 1429/23; NWB