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Kategorie: Steuern

  • Doppelte Grunderwerbsteuer bei zeitlich gestaffeltem Erwerb von GmbH-Anteilen zulässig?

    Doppelte Grunderwerbsteuer bei zeitlich gestaffeltem Erwerb von GmbH-Anteilen zulässig?

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hält es für rechtlich zweifelhaft, dass Grunderwerbsteuer doppelt entsteht, wenn über Anteile an einer grundbesitzenden GmbH zunächst ein schuldrechtlicher Anteilsübertragungsvertrag (sog. Signing) geschlossen wird und einige Wochen später die vereinbarte Abtretung der GmbH-Anteile (sog. Closing) erfolgt. Der BFH hat daher Aussetzung der Vollziehung gewährt, so dass die Grunderwerbsteuer im konkreten Streitfall bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht bezahlt werden muss. Hintergrund: Grunderwerbsteuer entsteht nicht nur beim Verkauf eines Grundstücks, sondern auch, wenn mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft veräußert oder übertragen werden. Das Gesetz knüpft in unterschiedlichen Regelungen mal an den Verkauf, also an das Verpflichtungsgeschäft, und mal an die Übertragung der Anteile, also an die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts an. Der Gesetzeswortlaut derjenigen Regelung, die das Verpflichtungsgeschäft besteuert, deutet darauf hin, dass vorrangig die Übertragung der Anteile – und nicht das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft – zu besteuern ist. Sachverhalt: Die Antragstellerin erwarb alle Anteile an einer grundbesitzenden GmbH durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11.3.2024 (sog. Signing). Die vertraglich vereinbarte Abtretung dieser Anteile durch die Veräußerin an die Antragstellerin erfolgte am 29.3.2024, nachdem die Antragstellerin den Kaufpreis bezahlt hatte (sog. Closing). Die Übertragung der GmbH-Anteile vom 29.3.2024 wurde dem Finanzamt nicht angezeigt. Am 30.5.2024 erließ das Finanzamt zwei Grunderwerbsteuerbescheide: Zum einen setzte es gegenüber der Antragstellerin Grunderwerbsteuer aufgrund des Vertrags vom 11.3.2024 fest, der zu einer sog. Anteilsvereinigung von mindestens 90 % (hier 100 %) geführt hatte; zum anderen setzte es gegenüber der GmbH Grunderwerbsteuer aufgrund der Anteilsübertragung vom 29.3.2024 fest. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Nachdem das Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, kam der Fall zum BFH.Entscheidung: Der BFH gewährte die Aussetzung der Vollziehung des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Grunderwerbsteuerbescheids, weil das Gericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Bescheides hatte: Es ist rechtlich zweifelhaft, ob bei einem zeitlichen Auseinanderfallen des schuldrechtlichen Veräußerungsvertrags (sog. Signing) und der Anteilsübertragung (sog. Closing) zweimal Grunderwerbsteuer festgesetzt werden darf, wenn dem Finanzamt bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer für den Veräußerungsvertrag (sog. Signing) bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (sog. Closing) bereits erfolgt ist. Der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, dass es einen Vorrang der Grunderwerbsteuerfestsetzung für die Übertragung der GmbH-Anteile (sog. Closing) gibt; jedoch akzeptiert die Finanzverwaltung diesen Vorrang nur dann, wenn beide Vorgänge – das sog. Signing und Closing – gleichzeitig erfolgen. Nach Auffassung des BFH lässt sich dem Gesetz eine derartige zeitliche Beschränkung jedoch nicht entnehmen. Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ergeben sich auch daraus, dass dem Finanzamt beim Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids gegenüber der Antragstellerin bereits bekannt war, dass die Anteilsübertragung (sog. Closing) bereits erfolgt war.Hinweise: Der BFH hatte die Streitfrage bislang noch nicht entschieden; sie bleibt auch weiterhin offen, da es sich nur um eine Entscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes handelt. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2022 eine Gesetzesänderung eingefügt, die das Ergebnis einer doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung in Fällen wie dem Streitfall verhindern soll. Danach soll die Grunderwerbsteuerfestsetzung für das Veräußerungsgeschäft auf Antrag aufgehoben werden. Allerdings setzt dies voraus, dass sowohl das Veräußerungsgeschäft (sog. Signing) als auch die Anteilsübertragung (sog. Closing) dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt fristgerecht, d.h. innerhalb von zwei Wochen, angezeigt worden sind. Eben dies ist im Streitfall unterblieben, so dass die Neuregelung der Antragstellerin nichts half. Je nachdem, ob das Veräußerungsgeschäft oder aber die Anteilsübertragung besteuert wird, ist Schuldner der Grunderwerbsteuer der Erwerber der Anteile oder aber die Gesellschaft selbst. Daher hatte das Finanzamt den einen Bescheid gegen die Antragstellerin als Erwerberin und den anderen Bescheid gegen die GmbH erlassen. Quelle: BFH, Beschluss vom 9.7.2025 – II B 13/25 (AdV); NWB

  • Doppelte Haushaltsführung bei einem Ein-Personen-Haushalt

    Doppelte Haushaltsführung bei einem Ein-Personen-Haushalt

    Führt der Steuerpflichtige einen Ein-Personen-Haushalt im Obergeschoss des Wohnhauses seiner Eltern, ist es für die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung nicht erforderlich, dass er sich an den Lebensführungskosten des elterlichen Haushalts beteiligt. Eine finanzielle Beteiligung an den Lebensführungskosten wird nur dann verlangt, wenn der Steuerpflichtige seinen Lebensmittelpunkt in einem Mehrpersonenhaushalt hat, weil er z.B. in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist. Hintergrund: Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt.Sachverhalt: Der 1986 geborene Kläger hatte bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen und studierte in den Jahren 2014 bis 2018. Nebenbei war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in M-Stadt. Seinen Lebensmittelpunkt hatte der Kläger in B-Stadt; dort wohnte er unentgeltlich in einer Wohnung im Obergeschoss des Wohnhauses seiner Eltern. Die Wohnung bestand aus Diele, Küche, Bad/WC sowie zwei Wohnräumen. Seine Eltern wohnten im Untergeschoss des Hauses. Die Wohnungen hatten jeweils einen Eingang zum mittigen, offenen Treppenhaus. Der Kläger machte eine doppelte Haushaltsführung steuerlich geltend und setzte u.a. die Mietkosten für die Zweitwohnung in M-Stadt, Familienheimfahrten sowie Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten an. Das Finanzamt erkannte nur die Familienheimfahrten an.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) bejahte eine doppelte Haushaltsführung des Klägers und erkannte auch die weiteren geltend gemachten Kosten an: Aufwendungen für eine berufliche Zweitausbildung sind – anders als Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung – steuerlich absetzbar. Zu den Kosten gehören auch die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung. Eine doppelte Haushaltsführung setzt u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand unterhält. Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt wiederum das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus. Der Kläger hatte im Haus seiner Eltern eine Wohnung inne, nämlich im Obergeschoss. Es war nicht erforderlich, dass er Eigentümer oder Mieter dieser Wohnung war; vielmehr genügte es, dass ihm die Wohnung von seinen Eltern unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden war. Eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung ist hingegen nur dann erforderlich, wenn der Kläger seinen Lebensmittelpunkt in einem Mehrpersonenhaushalt hat; denn nur dann gibt es Kosten, an denen er sich „beteiligen“ kann. Bei einem Ein-Personen-Haushalt stellt sich die Frage einer Kostenbeteiligung nicht. Im Streitfall unterhielt der Kläger im Obergeschoss des Wohnhauses seiner Eltern einen Ein-Personen-Haushalt, da das Obergeschoss ausschließlich ihm zur Verfügung stand. Seine Eltern hielten sich ausschließlich im Erdgeschoss auf. Dafür, dass der Kläger einen Ein-Personen-Haushalt unterhielt, sprach auch der Umstand, dass der Kläger im Jahr 2014 bereits 28 Jahre alt war und über ein eigenes Einkommen verfügte.Hinweise: Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nun die Höhe der Unterkunftskosten für die Zweitwohnung in M-Stadt sowie die Höhe der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen ermitteln muss.Wäre der Kläger hingegen in den Haushalt seiner Eltern eingegliedert gewesen, hätte er sich an den Kosten des gemeinsamen Haushalts beteiligen müssen, um eine doppelte Haushaltsführung steuerlich geltend machen zu können. Von einer Eingliederung in den elterlichen Haushalt geht man insbesondere dann aus, wenn der Steuerpflichtige gerade seine Ausbildung abgeschlossen hat und nun weiterhin in seinem Kinderzimmer im elterlichen Haushalt wohnt.Quelle: BFH, Urteil vom 29.4.2025 – VI R 12/23; NWB

  • Altersvorsorgezulage bei Umwidmung eines Darlehens

    Altersvorsorgezulage bei Umwidmung eines Darlehens

    Die Verwendung des Kapitals aus einem Altersvorsorgevertrag vor Beginn der Auszahlungsphase ist im Rahmen des sog. Wohn-Riester begünstigt, wenn es für die Tilgung eines Darlehens verwendet wird, das für die Anschaffung einer Wohnung aufgenommen worden ist und welches später – nach Verkauf dieser Wohnung – für die Anschaffung einer neuen Wohnung umgewidmet worden ist. Hintergrund: Der Gesetzgeber fördert den Aufbau eines kapitalgedeckten (privaten) Altersvorsorgevermögens, z.B. in Gestalt der sog. Riester-Rente. Bis zum Beginn der Auszahlungsphase darf das bis dahin angesparte Kapital aber nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur für bestimmte Zwecke verwendet werden, z.B. unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens.Sachverhalt: Die Kläger hatten 1987 ein Haus in A erworben, das sie mit einem Kredit finanziert hatten. Sie schuldeten den Kredit in den Folgejahren mehrfach um. Im Oktober 2011 verkauften sie das Haus. Sie verwendeten den Kaufpreis im Dezember 2011 zum Erwerb eines Hauses in B, das sie selbst nutzten. Im August 2021 beantragten sie bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) die Verwendung ihres gebildeten Altersvorsorgevermögens für die Ablösung eines im Januar 2011 aufgenommenen Darlehens. Dies lehnte die ZfA ab, weil die Kläger das Eigenheim in A nicht mehr bewohnten.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine unschädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück: Das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital kann bis zum Beginn der Auszahlungsphase entweder unmittelbar für die Anschaffung bzw. Herstellung einer Wohnung oder aber für die Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwendet werden. Diese sog. Entschuldungsvariante könnte im Streitfall in Betracht kommen. Das Darlehen muss allerdings unmittelbar für den jeweils begünstigten wohnungswirtschaftlichen Zweck verwendet werden. Daher kommt eine unschädliche Verwendung des Altersvorsorgekapitals in Betracht, wenn das Darlehen ursprünglich für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung (als Erstobjekt) aufgenommen worden war und später – nach dem Verkauf dieses Erstobjekts – für die Anschaffung oder Herstellung eines Zweitobjekts umgewidmet worden ist. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Regelung, wohl aber aus der Systematik des Gesetzes. Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang aufklären, ob die einzelnen Voraussetzungen erfüllt waren. So muss es aufklären, ob das Haus in B eine begünstigte Wohnung darstellte. Das FG muss ferner ermitteln, ob und in welchem Umfang die Kläger das Darlehen, das sie für die Anschaffung für das Haus in A aufgenommen hatten, tatsächlich mehrfach umgeschuldet hatten und ob im Rahmen der jeweiligen Umschuldung das Kapital ohne Zwischenschritt für die begünstigten Zwecke verwendet worden ist. Hinweise: Auch im Einkommensteuerrecht kann eine Umschuldung steuerlich unschädlich sein. Erwirbt ein Steuerpflichtiger eine Mietimmobilie mittels Bankdarlehen und verkauft er diese Immobilie, um mit dem Erlös eine neue Mietimmobilie zu erwerben, können die Zinsen für das Bankdarlehen auch weiterhin als Werbungskosten abgezogen werden.Der Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, das mietfreie Wohnen im Alter zu ermöglichen.Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 24/23; NWB

  • Keine Verpflichtung von Steuerberatern zur elektronischen Klageerhebung vor Erhalt des Registrierungsbriefes

    Keine Verpflichtung von Steuerberatern zur elektronischen Klageerhebung vor Erhalt des Registrierungsbriefes

    Ein Steuerberater, der ab dem 1.1.2023 für seinen Mandanten Klage beim Finanzgericht erheben wollte, war bis zum Erhalt des Registrierungsbriefs für die Registrierung im „besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach“ („beSt“) nicht verpflichtet, die Klage über das „beSt“ einzureichen, sondern konnte diese auch auf herkömmlichem Wege, wie z.B per Post oder Telefax, einreichen. Insbesondere war der Steuerberater nicht gehalten, die Möglichkeit einer vorzeitigen Beantragung eines Registrierungsbriefs (im sog. Fast-Lane-Verfahren) zu nutzen. Hintergrund: Seit dem 1.1.2023 müssen Steuerberater ihre Klagen und Anträge für ihre Mandanten beim Finanzgericht nach dem Gesetzeswortlaut über das „besondere elektronische Steuerberaterpostfach“ („beSt“) einreichen. Hierzu mussten sie sich im „beSt“ registrieren lassen. Allerdings verzögerte sich die Registrierung. Die Bundessteuerberaterkammer teilte daher bereits im Herbst 2022 mit, dass die Registrierungsbriefe nicht vollständig bis zum 31.12.2022 versendet werden können. Sie wies zugleich darauf hin, dass die Möglichkeit einer vorzeitigen Beantragung eines Registrierungsbriefs im sog. Fast-Lane-Verfahren bestehe; dies sei allerdings freiwillig. Erst im März 2023 war die Registrierung vollständig abgeschlossen. Sachverhalt: Eine Steuerberaterin erhob für einen Mandanten, den Beschwerdeführer, am 16.1.2023 beim Finanzgericht Klage per Post. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch keinen Registrierungsbrief für das „beSt“ erhalten; sie hatte sich auch nicht für die Teilnahme am sog. Fast-Lane-Verfahren entschieden. Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab, weil sie nicht elektronisch über das „beSt“ erhoben, sondern auf dem Postweg eingereicht worden war. Hiergegen legte die Steuerberaterin im Namen des Mandanten Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, die ebenfalls zurückgewiesen wurde. Nach einer Anhörungsrüge beim BFH erhob die Steuerberaterin für ihren Mandanten Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG).Entscheidung: Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt: Das Urteil des FG verletzt den Mandanten in seinem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Das Gebot auf effektiven Rechtsschutz garantiert jedem Bürger den Zugang zu den Gerichten sowie die Wirksamkeit des Rechtsschutzes. Daher darf der Zugang zu den Gerichten nicht unzumutbar erschwert und die an den Gerichtszugang zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden. Im Streitfall kam es zum Jahreswechsel 2022/2023 zu einer komplexen Übergangssituation, weil einerseits ab dem 1.1.2023 eine Pflicht zur Nutzung des „beSt“ bestand, andererseits aber das Verfahren für die Registrierung für das „beSt“ noch nicht abgeschlossen war. Zudem hatte die Bundessteuerberaterkammer darauf hingewiesen, dass die Nutzungspflicht für das „beSt“ erst mit dem Erhalt des Registrierungsbriefs beginne. Das sog. Fast-Lane-Angebot wurde von der Bundessteuerberaterkammer als „freiwillig“ bezeichnet, so dass sich der einzelne Steuerberater zur Nutzung dieser Möglichkeit nicht verpflichtet fühlen musste. Zudem hat der BFH den Anspruch des Mandanten auf rechtliches Gehör verletzt. Das FG hat die Klage nämlich als unzulässig abgewiesen und sich daher nicht mit der Klagebegründung auseinandergesetzt. Hinweise: Das BVerfG hat nun sowohl das Urteil des FG als auch den Beschluss des BFH aufgehoben und die Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen. Dem BVerfG zufolge hätte das FG den von dem Mandanten gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen dürfen. Das FG muss nun also prüfen, ob die Steuerberaterin ohne Verschulden verhindert war, die Klage elektronisch über das „beSt“ einzureichen. Angesichts der sehr deutlichen Ausführungen des BVerfG wird das FG dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraussichtlich stattgeben und muss dann über die eigentliche Begründung der Klage entscheiden. Offen gelassen hat das BVerfG die Frage, ob auch das FG den Anspruch des Mandanten auf rechtliches Gehör verletzt hat. Ebenso ließ das BVerfG offen, ob die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften, die für die Nutzung des „beSt“ maßgeblich sind, wirksam erlassen worden sind. Quelle: BVerfG, Beschluss vom 23.6.2025 – 1 BvR 1718/24; NWB

  • Änderung eines Steuerbescheids aufgrund nachträglich übermittelter Rentendaten

    Änderung eines Steuerbescheids aufgrund nachträglich übermittelter Rentendaten

    Ein Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte entgegen der Steuererklärung nicht übernommen worden sind, kann geändert werden, wenn der Rentenversicherungsträger die Rentenbezugsmitteilung an das Finanzamt übermittelt. Der Änderung steht nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige die Renteneinkünfte in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte und dass die Rentenbezugsmitteilung erst nach Erlass des erstmaligen Einkommensteuerbescheids an das Finanzamt übermittelt wird. Hintergrund: Nach dem Gesetz ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit von einer mitteilungspflichtigen Stelle wie z.B. der Rentenversicherung an das Finanzamt übermittelte Daten nicht oder aber nicht zutreffend bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt wurden. Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und gaben für 2017 ihre Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ab. In der Erklärung gaben sie auch die Renteneinkünfte des Klägers in zutreffender Höhe an. Das Finanzamt erließ am 2.4.2019 den Steuerbescheid für 2017, berücksichtigte aber nicht die Renteneinkünfte des Klägers. Der Bescheid erging nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Mai 2019 übermittelte der Rentenversicherungsträger die Rentenbezugsmitteilung für den Kläger an das Finanzamt. Das Finanzamt änderte daraufhin den Steuerbescheid und setzte nun die Renteneinkünfte des Klägers als sonstige Einkünfte an. Hiergegen wehrten sich die Kläger. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: Das Finanzamt war zur Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 2.4.2019 verpflichtet; denn in diesem Bescheid waren übermittelte Daten, nämlich die Daten aus der Rentenbezugsmitteilung, nicht berücksichtigt. Es kommt nicht auf den Grund für die Nichtberücksichtigung an. Insbesondere ist unbeachtlich, ob das Finanzamt oder der Steuerpflichtige einen Fehler begangen hat. Unbeachtlich ist ferner, wann die Daten, die berücksichtigt werden sollen, an das Finanzamt übermittelt worden sind. Die Änderungsvorschrift verlangt also nicht, dass die Rentenbezugsmitteilung bereits bei Erlass des erstmaligen Steuerbescheids vom 2.4.2019 vorgelegen haben muss. Im Gegensatz zu anderen Korrekturvorschriften enthält die hier streitige Änderungsvorschrift keinen Zeitpunkt bzw. keine zeitliche Reihenfolge, die eingehalten werden muss, um die Änderung vorzunehmen. Die Änderungsvorschrift greift somit auch dann, wenn die Daten erst nach dem Erlass des Erstbescheids vom 2.4.2019 übermittelt werden und wenn sich der Inhalt der Rentenbezugsmitteilung bereits aus den Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung ergab.Hinweise: Das Urteil war für die Kläger nachteilig, weil sie nicht darauf vertrauen konnten, dass es bei der Nichtbesteuerung der Renteneinkünfte des Klägers bleibt. Allerdings kann sich das BFH-Urteil auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wenn die übermittelten Daten für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sind, z.B. im Fall von Krankenversicherungsbeiträgen, die als Sonderausgaben abziehbar sind und die von der Krankenversicherung dem Finanzamt übermittelt werden. Zu beachten ist, dass das Gesetz für die Änderungsmöglichkeit eine lange Festsetzungsverjährung vorsieht, so dass sich insgesamt ein möglicher Änderungszeitraum von neun Jahren nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ergibt. Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 25/22; NWB

  • Steuerfreistellung eines deutsch-niederländischen Grenzgängers

    Steuerfreistellung eines deutsch-niederländischen Grenzgängers

    Ein deutscher Steuerpflichtiger, der in den Niederlanden arbeitet und dessen Gehalt in den Niederlanden aufgrund einer niederländischen Gesetzesregelung, die für ausländische Arbeitnehmer gilt, zu 30 % steuerfrei gestellt wird, muss diesen Anteil in Deutschland nicht versteuern. Allerdings erhöht sich in Deutschland insoweit der Steuersatz für die übrigen Einkünfte (sog. Progressionsvorbehalt). Hintergrund: Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, müssen an sich ihr gesamtes Einkommen, das sie in Deutschland oder im Ausland erzielen (sog. Welteinkommen), versteuern. Allerdings gibt es zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Nach den DBA wird bei Arbeitnehmern das Einkommen in demjenigen Staat besteuert, in dem der Arbeitnehmer tätig geworden ist. Wird ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer im Ausland tätig, wird das Gehalt in Deutschland nicht besteuert, sondern erhöht lediglich den Steuersatz für die übrigen Einkünfte. Voraussetzung ist in der Regel jedoch, dass das Gehalt im Ausland tatsächlich besteuert wird. Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitnehmer, der im Streitjahr 2019 in Deutschland lebte und überwiegend in den Niederlanden arbeitete. An 157 Tagen war er in den Niederlanden tätig und an 80 Tagen in Deutschland; insgesamt war der Kläger also an 237 Tagen als Arbeitnehmer tätig. Sein niederländischer Arbeitgeber zahlte ihm das Gehalt zu 30 % steuerfrei aus, weil nach einer Regelung des niederländischen Steuerrechts Arbeitnehmer, die täglich aus dem Ausland (z.B. Deutschland) in die Niederlande reisen, eine steuerfreie Erstattung für sog. extraterritoriale Mehrkosten (z.B. für Familienheimfahrten) in pauschaler Höhe von 30 % erhalten. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der 30 %-Anteil in Deutschland auch insoweit steuerpflichtig sei, als er auf die Tätigkeit des Klägers in den Niederlanden entfällt (157/237); denn dieser Anteil sei in den Niederlanden tatsächlich nicht besteuert worden. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt: Zwar unterliegt grundsätzlich das Welteinkommen des Klägers der deutschen Steuerbarkeit. Aufgrund des DBA mit den Niederlanden wird das Gehalt des Klägers aber nur insoweit in Deutschland besteuert, als der Kläger in Deutschland tätig geworden ist, also zu 80/237. Soweit der Kläger in den Niederlanden tätig gewesen ist (150/237), steht den Niederlanden das Besteuerungsrecht zu. Dieser Teil des Gehalts unterliegt in Deutschland lediglich dem sog. Progressionsvorbehalt, erhöht also den Steuersatz für die übrigen Einkünfte. Zwar setzt dies voraus, dass das Gehalt, soweit es auf die Tätigkeit in den Niederlanden entfällt, in den Niederlanden auch tatsächlich besteuert worden ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da auch der 30 %-Anteil als tatsächlich besteuert gilt. Denn es handelt sich bei diesem Anteil nicht um eine sachliche oder persönliche Steuerbefreiung oder gar um eine tatsächliche Nichtbesteuerung; vielmehr beruht der 30 %-Anteil auf einer pauschalierten Erstattung steuerlich relevanter Aufwendungen wie z.B. Familienheimfahrten. Hinweise: Das Urteil ist für Grenzgänger im deutsch-niederländischen Raum erfreulich, weil der in den Niederlanden steuerfrei gestellte 30 %-Anteil, soweit er auf die in den Niederlanden erbrachte Tätigkeit entfällt, in Deutschland nicht besteuert wird, sondern nur beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen ist. Dem BFH zufolge kommt es nicht darauf an, ob das deutsche Steuerrecht eine vergleichbare Steuerfreistellung für sog. exterritoriale Kosten kennt oder ob der 30 %-Anteil höher ist als die vermuteten Kosten. Quelle: BFH, Urteil vom 10.4.2025 – VI R 29/22; NWB

  • Kein vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen bei Überschuldung

    Kein vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen bei Überschuldung

    Bei einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen sind Säumniszuschläge, die wegen der verspäteten Zahlung von Steuern entstanden sind, nicht vollständig zu erlassen. Vielmehr kommt in der Regel nur ein Erlass der Hälfte der Säumniszuschläge in Betracht. Hintergrund: Säumniszuschläge werden kraft Gesetzes verwirkt, wenn die Steuer erst nach Fälligkeit gezahlt wird. Pro Monat der Säumnis entstehen 1 % des offenen Steuerbetrags. Sachverhalt: Der Kläger war seit 2018 Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, der seit 2007 zahlungsunfähig war. Das Finanzamt hatte gegen A Forderungen in Höhe von insgesamt ca. 3,5 Mio. €; hiervon entfielen ca. 1,5 Mio. € auf Säumniszuschläge für Steuern, die zwischen Dezember 2007 und 2011 fällig geworden waren. Der Wert der Insolvenzmasse belief sich auf ca. 50.000 €. Im Juli 2021 beantragte der Kläger den Erlass der gesamten Säumniszuschläge; das Finanzamt erließ jedoch nur die Hälfte der Säumniszuschläge, also ca. 750.000 €. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage, die auf Erlass der verbleibenden Säumniszuschläge gerichtet war, ab: Säumniszuschläge sind zum einen Druckmittel, um den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung zu bewegen. Zum anderen stellen sie aber auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung dar, und sie dienen auch der Abgeltung der Verwaltungskosten, die auf Grund der nicht pünktlichen Zahlung entstehen. Ist der Steuerpflichtige überschuldet und zahlungsunfähig, geht die Funktion als Druckmittel verloren; denn der Steuerpflichtige kann gar nicht zahlen. Daher ist ein teilweiser Erlass der Säumniszuschläge geboten. Nach der Rechtsprechung des BFH kommt insoweit ein hälftiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht. Ein darüber hinaus gehender Erlass ist nicht geboten. Denn die beiden weiteren Funktionen des Säumniszuschlags bleiben im Fall der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erhalten, nämlich die Funktion als Gegenleistung sowie als Ersatz von Verwaltungskosten. Zwar lässt sich der genaue Anteil der Säumniszuschläge, der auf die Gegenleistung und auf den Verwaltungskostenersatz entfällt, nicht beziffern; es bleibt aber bei den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung, dass im Fall der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nur die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen ist. Der vom Kläger angestrebte vollständige Erlass wäre nur dann möglich, wenn es zusätzliche persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe gäbe. Andere sachliche Billigkeitsgründe sind nicht erkennbar. Und ein Erlass wegen persönlicher Billigkeitsgründe ist ausgeschlossen, wenn sich der Erlass nicht zugunsten des Steuerpflichtigen, sondern nur zugunsten der anderen Insolvenzgläubiger auswirken würde. Dies wäre hier der Fall, weil von einem weitergehenden Erlass nur die übrigen Insolvenzgläubiger profitieren würden; denn es gab Insolvenzforderungen der übrigen Gläubiger in Höhe von ca. 2,2 Mio. €, während die Insolvenzmasse lediglich einen Wert in Höhe von ca. 50.000 € aufwies. Hinweise: Der BFH hat in einer aktuellen Entscheidung, die die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge betraf, offen gelassen, in welchem prozentualen Verhältnis die drei Zwecke des Säumniszuschlags zueinander stehen (Druckmittel, Gegenleistung, Verwaltungskostenersatz). Der Kläger hatte daher gehofft, dass das Finanzgericht den Anteil des Druckmittels höher als 50 % ansetzt und insoweit einen Erlass ausspricht. Das Finanzgericht hält jedoch an der bisherigen Rechtsprechung, die den Erlass von Säumniszuschlägen betrifft, fest und sieht deshalb nur einen hälftigen Erlass als geboten an. Der BFH vertritt bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge die Auffassung, dass sie verfassungskonform sind. Im Gegensatz zu Nachzahlungszinsen, die nur 1,8 % pro Jahr betragen, belaufen sich Säumniszuschläge auf immerhin 12 % pro Jahr. Quelle: Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 31.3.2025 – 3 K 161/23; NWB

  • Kein Erlass von Nachzahlungszinsen bei Verzögerung der Steuerfestsetzung

    Kein Erlass von Nachzahlungszinsen bei Verzögerung der Steuerfestsetzung

    Kommt es deshalb zu einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen bei der Einkommensteuer, weil ein für die Einkommensteuerfestsetzung benötigter Grundlagenbescheid wegen eines überlangen Erbscheinverfahrens erst nach vielen Jahren erlassen wird, sind die Nachzahlungszinsen nicht wegen Unbilligkeit zu erlassen. Denn der Steuerpflichtige hatte gleichwohl einen Liquiditäts- und Zinsvorteil, der durch die Nachzahlungszinsen abgeschöpft wird. Hintergrund: Nachzahlungszinsen werden festgesetzt, wenn die Steuer erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Veranlagungszeitraums festgesetzt wird und sich aus der Festsetzung eine Nachzahlung ergibt; diese Frist war in den letzten Jahren coronabedingt verlängert worden. Sachverhalt: Der Kläger wurde im Oktober 2012 Miterbe des verstorbenen E. Es kam in der Folgezeit zu langjährigen Streitigkeiten um die Wirksamkeit des Testaments des E und um die Erbfolge. Erst im August 2018 wurde der Erbschein ausgestellt, in dem der Kläger als Miterbe genannt wurde. Die Erbengemeinschaft gab nun Feststellungserklärungen für die Jahre 2012 bis 2017 ab, die im August 2019 zu entsprechenden Feststellungsbescheiden führten, in denen die Einkünfte der Erbengemeinschaft festgestellt wurden. Das für den Kläger zuständige Finanzamt erließ aufgrund der Feststellungsbescheide geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017, die überwiegend zu Steuernachzahlungen führten. In den Einkommensteuerbescheiden wurden ca. 30.000 € Nachzahlungszinsen festgesetzt. Der Kläger beantragte den Erlass der Nachzahlungszinsen mit der Begründung, dass ihn an der verspäteten Festsetzung der Einkommensteuer kein Verschulden treffe. Das Finanzamt lehnte den Erlassantrag ab. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Ein Erlass setzt eine Unbilligkeit aus persönlichen oder aus sachlichen Gründen voraus. Im Streitfall kam nur eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen in Betracht. Eine sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Geltendmachung des Anspruchs des Finanzamts mit dem Gesetzeszweck nicht zu rechtfertigen ist und den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt. Zwar kam es ohne Verschulden des Klägers zu verspäteten geänderten Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2012 bis 2017, die zu Nachzahlungen führten. Der Kläger hat hierdurch jedoch einen Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil erlangt. Der Kläger hätte die verspätete Festsetzung grundsätzlich dadurch verhindern können, dass er seine zu erwartenden Beteiligungseinkünfte aus der Erbengemeinschaft schätzt und in den Einkommensteuererklärungen angibt. Dies hätte dann zu einer zügigen Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2017 geführt, weil das Finanzamt die zu erwartenden Beteiligungseinkünfte schon vor dem Erlass der Feststellungsbescheide im Schätzungswege hätte ansetzen können. Sofern dem Kläger eine sachgerechte Schätzung nicht möglich gewesen sein sollte, würde dies keinen Erlass rechtfertigen. Denn der Gesetzgeber durfte im Wege der Typisierung davon ausgehen, dass Feststellungsbescheide grundsätzlich frühzeitig ergehen.Hinweise: Anders wäre die Rechtslage gewesen, wenn es sich bei dem erteilten Erbschein um ein sog. rückwirkendes Ereignis gehandelt hätte. In diesem Fall hätte der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres begonnen, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Da der Erbschein erst im Jahr 2018 ausgestellt worden ist, hätte der Zinslauf also erst am 1.4.2020 begonnen. Dies hätte zu einem Wegfall der Nachzahlungszinsen geführt, so dass ein Erlassantrag nicht nötig geworden wäre. Die Entscheidung, ob die Ausstellung des Erbscheins ein rückwirkendes Ereignis ist, hätte aber im Verfahren über die Feststellungsbescheide für die Erbengemeinschaft getroffen werden müssen, ggf. durch den Erlass eines sog. Ergänzungsbescheids. Der BFH lässt zwar offen, ob die Ausstellung des Erbscheins ein rückwirkendes Ereignis ist, deutet aber an, dass kein rückwirkendes Ereignis vorliegt, weil die Miterbenstellung nicht vom Erbschein abhängig ist, sondern sich danach richtet, wer tatsächlich Erbe ist; der Erbschein begründet also nur eine starke Vermutung, bindet das Finanzamt aber nicht. Quelle: BFH, Urteil vom 9.4.2025 – X R 12/21; NWB

  • Gewerbesteuerpflicht eines Anteilsveräußerungsgewinns bei doppelstöckiger Personengesellschaft

    Gewerbesteuerpflicht eines Anteilsveräußerungsgewinns bei doppelstöckiger Personengesellschaft

    Veräußert der Gesellschafter einer Personengesellschaft, die an einer anderen Personengesellschaft beteiligt ist, seinen Anteil mit Gewinn, ist der Gewinn gewerbesteuerpflichtig, wenn der Gesellschafter eine nicht natürliche Person ist. Der Veräußerungsgewinn wird allein dem Gewerbeertrag der Ober-Personengesellschaft, zugerechnet und nicht anteilig dem Gewerbeertrag der Unter-Personengesellschaft.Hintergrund: Von einer doppelstöckigen Personengesellschaft spricht man, wenn eine Personengesellschaft (sog. Ober-Personengesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (sog. Unter-Personengesellschaft) beteiligt ist. Nach dem Gesetz ist der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft nicht gewerbesteuerpflichtig, wenn der Veräußerer eine natürliche Person ist. Hingegen ist die Veräußerung gewerbesteuerpflichtig, wenn der Veräußerer (Gesellschafter) eine Kapital- oder Personengesellschaft oder sonstige Körperschaft oder Vermögensmasse ist. Sachverhalt: Klägerin war die A-KG, an der u.a. die C-Stiftung beteiligt war. Die Klägerin war ihrerseits an mehreren KGs beteiligt, die jeweils eine Klinik betrieben. Die C-Stiftung veräußerte ihre Beteiligung an der A-KG mit Gewinn. Die A-KG wollte, dass dieser Veräußerungsgewinn gewerbesteuerlich anteilig den Klinik-KGs zugerechnet wird.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: Der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils der C-Stiftung an der A-KG war allein der A-KG gewerbesteuerlich zuzuordnen. Nicht nur einkommensteuerlich, sondern auch gewerbesteuerlich wird der Gewinn eines Gesellschafters aus der Veräußerung seines Anteils an der Personengesellschaft auf der Ebene der Personengesellschaft versteuert. Eine Aufteilung des Gewinns auf die A-KG als Ober-Personengesellschaft und auf die Klinik-KGs als Unter-Personengesellschaften kam nicht in Betracht. Denn gewerbesteuerlich handelte es sich um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang, nicht aber um mehrere Veräußerungen. Hierfür spricht insbesondere auch der Gesetzeswortlaut, wonach der Veräußerungsgewinn „zum Gewerbeertrag“ des Betriebs zu zählen ist, nicht aber auf mehrere Gewerbeerträge verschiedener Betriebe aufzuteilen ist. Für eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf die A-KG sowie auf die Klinik-KGs fehlen auch verfahrensrechtliche Regelungen, nach welchen konkreten Grundsätzen der Veräußerungsgewinn aufgeteilt werden soll und bei welcher Personengesellschaft die Höhe der stillen Reserven festzustellen sind.Hinweise: Bislang war höchstrichterlich noch nicht geklärt, wie der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Ober-Personengesellschaft gewerbesteuerlich zugeordnet wird. Der BFH entscheidet sich nun gegen eine Aufteilung des Gewinns auf die Ober- und auf die Unter-Personengesellschaften. Unbeachtlich ist, dass der Veräußerungsgewinn möglicherweise deshalb erzielt worden ist, weil sich die stillen Reserven, also die Mehrwerte gegenüber dem jeweiligen Buchwert, in den Klinik-KGs befunden haben könnten. Zwar sind Gewinne von Krankenhäusern unter bestimmten Voraussetzungen gewerbesteuerfrei. Diese Gewerbesteuerfreiheit kam der Klägerin aber nicht zugute, weil sie selbst keine Klinik betrieb, sondern nur die Klinik-KGs (Unter-Personengesellschaften). Quelle: BFH, Urteil vom 8.5.2025 – IV R 40/22; NWB

  • Aufwendungen für Bestattungsvorsorge nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar

    Aufwendungen für Bestattungsvorsorge nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar

    Die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine eigene künftige Bestattung sind nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Denn es fehlt für den Abschluss eines sog. Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags an der Außergewöhnlichkeit sowie an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder Hochwasser.Sachverhalt: Der Kläger schloss im Jahr 2019 einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ab und zahlte 6.500 € für seine künftige Bestattung. Er machte diesen Betrag als außergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung 2019 geltend. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an. Entscheidung: Das Finanzgericht Münster wies die Klage ab: Bei den Kosten für den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag handelt es sich um Aufwendungen für die eigene Bestattung. Die Kosten für die eigene Bestattung sind weder außergewöhnlich noch zwangsläufig. Aufwendungen für die eigene Bestattung sind nicht außergewöhnlich, da jeder Mensch eines Tages sterben wird und bestattet werden muss. Die Aufwendungen sind auch nicht zwangsläufig, da der Kläger sie freiwillig übernommen hat. Für diese Übernahme gab es keine rechtliche, tatsächliche oder sittliche Pflicht. Insbesondere gab es keine sittliche Pflicht, seinen Erben die künftigen Bestattungskosten zu ersparen. Hinweise: Anders ist es, wenn der Steuerpflichtige die Bestattungskosten für einen Angehörigen übernehmen muss. Diese Aufwendungen sind regelmäßig als außer-gewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn sie höher sind als der Nachlass, den der Steuerpflichtige von dem verstorbenen Angehörigen erhält. Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung oder aus einer Lebensversicherung, die dem Steuerpflichtigen außerhalb des Nachlasses zufließen, sind auf die als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten anzurechnen. Abzugsfähig sind nur solche Aufwendungen, die unmittelbar mit der eigentlichen Bestattung zusammenhängen. Nicht hierzu gehören Aufwendungen für Trauerkleidung, die Bewirtung von Trauergästen oder Reisekosten für die Teilnahme an der Bestattung.Quelle: FG Münster, Urteil vom 23.6.2025 – 10 K 1483/24 E; NWB