Aktuelles
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Änderung des Antragsrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes
Zwar kann ein steuerliches Antrags- oder Wahlrecht grundsätzlich noch so lange geändert werden, wie die Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid läuft oder der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Wird das Antragsrecht aber im Rahmen eines Einspruchs gegen einen Änderungsbescheid geändert, ist dies nur zulässig, soweit der Änderungsbescheid zu einer höheren Steuer geführt hat. Hintergrund: An verschiedenen Stellen gewährt der Gesetzgeber ein Wahlrecht oder aber eine nur auf Antrag gewährte Vergünstigung. Hierzu gehört z.B. die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf Veräußerungsgewinne, der nur einmal im Leben auf Antrag gewährt wird. Wird ein Steuerbescheid, dessen Einspruchsfrist abgelaufen ist und der auch nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, zugunsten des Steuerpflichtigen geändert, ist hiergegen ein Einspruch nicht zulässig. Erfolgt die Änderung zulasten des Steuerpflichtigen, ist der Einspruch zulässig, soweit die Steuer erhöht worden ist. Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und veräußerten im Jahr 2007 eine Beteiligung an der X-KG. Hierfür stellten sie einen Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, der nur einmal im Leben gestellt werden kann. Das Finanzamt gab dem Antrag im Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 27.3.2014 statt. Anfang 2016 erging für die X-KG ein Feststellungsbescheid, in dem der Veräußerungsgewinn der Kläger deutlich niedriger festgestellt wurde. Das für die Kläger zuständige Finanzamt erließ daraufhin am 18.1.2016 einen geänderten Einkommensteuerbescheid mit einer niedrigeren Einkommensteuer. Am 28.1.2016 nahmen die Kläger ihren Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den Veräußerungsgewinn für 2007 zurück. Stattdessen stellten sie den Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nun für das Jahr 2014, in dem sie ihre Beteiligung an der Y-KG mit hohem Gewinn verkauft hatten. Das Finanzamt lehnte eine Änderung des Steuerbescheids für 2007 ab. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Die Kläger können ihren Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den Veräußerungsgewinn des Jahres 2007 nicht mehr zurücknehmen. Zwar haben sie die Antragsrücknahme in der Einspruchsfrist des Änderungsbescheids vom 18.1.2016 erklärt. Allerdings war ein Einspruch gegen diesen Änderungsbescheid aufgrund der gesetzlichen Beschränkung der Anfechtungsbefugnis nicht mehr zulässig. Denn der Änderungsbescheid führte zu einer niedrigeren Steuer als der vorherige Bescheid vom 27.3.2014, und der Bescheid vom 27.3.2014 war bereits formell und materiell bestandskräftig geworden, d.h. die Einspruchsfrist war bereits abgelaufen, und der Bescheid vom 27.3.2014 stand auch nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auch wenn der Bescheid vom 18.1.2016 danach nicht mehr mit einem Einspruch angefochten werden kann, wäre die Antragsrücknahme dennoch möglich, wenn es eine Korrekturvorschrift gäbe. Eine solche Korrekturvorschrift ist im Streitfall aber nicht vorhanden. Die Korrektur eines Bescheids zwecks Anpassung an einen Grundlagenbescheid wie den Feststellungsbescheid für die X-KG ermöglicht darüber hinaus keine Korrektur des einkommensteuerlichen Antragsrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Veräußerungsgewinne. Die Rücknahme des Antrags ist auch kein rückwirkendes Ereignis, das eine Änderung des Steuerbescheids ermöglichen würde. Auch eine Saldierung scheidet aus, weil diese nur dann möglich wäre, wenn das Finanzamt die Einkommensteuer erhöht hätte. Hinweise: Für das Streitjahr 2007 ist das Ergebnis für die Kläger trotz des Unterliegens vor Gericht vorteilhaft, weil ihnen der ermäßigte Steuersatz auf den – im Nachhinein geminderten – Veräußerungsgewinn verbleibt. Da der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nur einmal im Leben gestellt werden kann, ist ihnen aber der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für 2014 versperrt. Der im Jahr 2014 erzielte Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der Y-KG war höher als der im Jahr 2007 erzielte Gewinn aus der Veräußerung an der X-KG, so dass dies für die Kläger insgesamt nachteilig ist. Der BFH lehnt es ausdrücklich ab, das Antragsrecht zugunsten der Steuerpflichtigen zu erweitern. Dem BFH zufolge ist es Aufgabe des Steuerpflichtigen, seine aktuellen und künftigen Einkünfte so genau zu prognostizieren, dass er sein Antragsrecht steuerlich optimal ausüben kann. Quelle: BFH, Urteil v. 20.4.2023 – III R 25/22; NWB
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Übertragung von Zinsansprüchen auf Tochter-Kapitalgesellschaft
Überträgt die Gesellschafterin einer GmbH aufgelaufene Zinsen, die noch nicht fällig, aber bereits entstanden sind, ohne Gegenleistung auf die GmbH, stellt dies eine gewinnneutrale verdeckte Einlage dar, die das Einkommen der Gesellschafterin und der GmbH nicht verändert. Die Übertragung der aufgelaufenen Zinsen ist nämlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Hintergrund: Unter einer verdeckten Einlage ist die unentgeltliche oder verbilligte Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils auf eine Kapitalgesellschaft zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Die verdeckte Einlage wird bei der Kapitalgesellschaft einkommensneutral berücksichtigt, erhöht also nicht ihren Gewinn. Sachverhalt: Die Klägerin war Alleingesellschafterin der AB-GmbH, die über hohe Verlustvorträge verfügte. Gewinne waren bei der AB-GmbH nicht mehr zu erwarten. Die Klägerin wollte der AB-GmbH Erträge zuwenden, damit die AB-GmbH die Verlustvorträge nutzen kann. Daher schloss die Klägerin zunächst bei der G-Bank zwölf Wertpapierpensionsgeschäfte über festverzinsliche Wertpapiere ab. Anschließend vereinbarte sie mit der AB-GmbH zwölf Wertpapierdarlehen, die jeweils nur über zwei bis sechs Wochen liefen; allerdings fiel in die jeweilige Laufzeit der Zinstermin, in der die Zinsen für das jeweilige Wertpapier für ein Jahr gezahlt wurden. Die AB-GmbH erhielt auf diese Weise die Zinsen für ein Jahr und musste nach den mit der Klägerin geschlossenen Wertpapierdarlehensverträgen keine Kompensation an die Klägerin entrichten. Den sich hieraus ergebenden Ertrag verrechnete die AB-GmbH mit ihren Verlustvorträgen, während die Klägerin ihre Kompensationszahlungen, die sie an die G-Bank leisten musste, als Betriebsausgaben behandelte. Das Finanzamt erkannte den Aufwand der Klägerin nicht an, sondern setzte eine verdeckte Einlage an. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab: Die Klägerin hat eine verdeckte Einlage in die AB-GmbH geleistet, indem sie die zu Beginn des jeweiligen Wertpapierdarlehensvertrags aufgelaufenen, aber noch nicht fälligen Zinsen ohne Gegenleistung (Kompensationszahlung) auf die AB-GmbH übertragen hat. Die AB-GmbH konnte diese aufgelaufenen Zinsen kurze Zeit später bei Fälligkeit vereinnahmen, ohne für die Zuwendung der aufgelaufenen Zinsen etwas an die Klägerin zahlen zu müssen. Die Übertragung der aufgelaufenen Zinsen ohne Kompensationszahlung war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil ein fremder Dritter eine Kompensationszahlung verlangt hätte. Bei den aufgelaufenen Zinsen handelte es sich um einen bilanzierbaren Zinsanspruch, der daher auch – anders als ein bloßer Nutzungsvorteil – einlagefähig war. Hinweise: Im Ergebnis hat die Klägerin der AB-GmbH die Zinsen für den Zeitraum, für den sie mit der AB-GmbH keinen Wertpapierdarlehensvertrag abgeschlossen hat, zugewendet. Auf diese Weise sollte bei der AB-GmbH ein Ertrag entstehen, der aufgrund der vorhandenen Verlustvorträge keine Steuern auslöste, während bei der Klägerin entsprechender Aufwand entsteht, der den Gewinn und die Steuerlast mindert. Dieses Gestaltungsmodell hat der BFH nicht akzeptiert, sondern die Zuwendung der aufgelaufenen Zinsen an die AB-GmbH als verdeckte Einlage qualifiziert, die einkommensneutral verläuft. Bei der Klägerin erhöht sich aufgrund der verdeckten Einlage der Bilanzwert ihrer Beteiligung an der AB-GmbH. Quelle: BFH, Urteil v. 15.3.2023 – I R 24/20; NWB
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Keine Anzeigepflicht bei Aufnahme des Betriebs einer kleinen Photovoltaikanlage
Das Bundesfinanzministerium (BMF) befreit Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kw (peak) unter bestimmten Voraussetzungen sowohl von der Pflicht zur steuerlichen Anzeige über die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als auch von der Pflicht zur Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung. Denn aufgrund der aktuellen Gesetzeslage ergeben sich aus dem Betrieb weder einkommensteuerliche noch umsatzsteuerliche Folgen. Hintergrund: Der Gesetzgeber hat rückwirkend zum 1.1.2022 den Gewinn aus dem Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 30 kw (peak) einkommensteuerfrei gestellt. Außerdem hat er mit Wirkung ab 1.1.2023 die Lieferung entsprechender Photovoltaikmodule einem Umsatzsteuersatz von 0 % unterworfen, so dass der Betreiber, an den die Anlage geliefert wird, nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet wird. Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens: Zwar müssen Steuerpflichtige, die einen gewerblichen Betrieb eröffnen, grundsätzlich die Eröffnung dieses Betriebs dem Finanzamt anzeigen und auch einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung abgeben. Im Hinblick auf die Einkommensteuerfreiheit für kleine Photovoltaikanlagen und auf die Umsatzsteuerfreiheit für die Lieferung von Modulen für kleine Photovoltaikanlagen an Betreiber wird auf die Anzeigepflicht und auf die Pflicht zur Abgabe des steuerlichen Fragebogens verzichtet, wenn es sich um eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von maximal 30 kW (peak) handelt, deren Gewinn einkommensteuerfrei ist, wenn sich der Betreiber umsatzsteuerlich ausschließlich auf den Betrieb einer Photovoltaikanlage mit einer Leistung von maximal 30 kW (peak), deren Lieferung an einen Betreiber umsatzsteuerfrei gestellt wird, beschränkt und wenn er die Kleinunternehmerregelung anwendet, so dass er keine Umsatzsteuer in Rechnung stellt, die er abführen müsste, und auch keine Vorsteuer geltend macht, und wenn die entsprechende Erwerbstätigkeit ab dem 1.1.2023 aufgenommen wird. Hinweise: Allerdings kann das Finanzamt den Betreiber der Photovoltaikanlage zur Abgabe eines steuerlichen Fragebogens auffordern, wenn es dies nach den weiteren Umständen des Einzelfalls für erforderlich hält. Das BMF-Schreiben ist erfreulich für Steuerpflichtige, die im Übrigen nicht unternehmerisch tätig sind. Sie werden von der Anzeigepflicht und von der Pflicht zur Abgabe des steuerlichen Fragebogens befreit. Grund hierfür ist die grundsätzliche Einkommensteuerfreiheit sowie der Wegfall der umsatzsteuerlichen Belastung bei Lieferung kleiner Photovoltaikanlagen an Betreiber. Quelle: BMF-Schreiben v. 12.6.2023 – IV A 3 – S 0301/19/10007 :012; NWB