Nichtigkeit eines Schenkungsteuerbescheids

Ein Schenkungsteuerbescheid ist nichtig, wenn sich die festgesetzte
Steuer nicht hinreichend bestimmt aus dem Bescheid ergibt.

Hintergrund: Ein Bescheid wird
mit seiner Bekanntgabe wirksam. Die Wirksamkeit besteht auch im Fall der
Rechtswidrigkeit, sodass ein rechtswidriger Bescheid wirksam ist und bleibt,
wenn er nicht angefochten wird. Ein
nichtiger Bescheid ist hingegen nicht
wirksam und entfaltet keine Rechtswirkung.

Sachverhalt: Ein Vater schenkte
seinem Sohn mehrere Beteiligungen an Personen- sowie an Kapitalgesellschaften,
an denen der Vater jeweils zu 15 % beteiligt war; der Vater behielt sich den
Nießbrauch vor. Der Vater übernahm im Schenkungsvertrag die Schenkungsteuer.
Das Finanzamt setzte gegenüber dem Vater mit Bescheid vom 9.10.2009
Schenkungsteuer fest und gewährte dabei die schenkungsteuerlichen
Begünstigungen für das Betriebsvermögen. Der Vater zahlte die Schenkungsteuer,
der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 26.10.2010 änderte das Finanzamt die
Festsetzung und berücksichtigte die schenkungsteuerlichen Begünstigungen nur
noch für die Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, weil der Sohn nicht
Mitunternehmer bei den Personengesellschaften geworden sei. Der Vater
entrichtete die Nachzahlung, legte allerdings Einspruch ein. Im
Einspruchsverfahren erkannte das Finanzamt nun auch die schenkungsteuerlichen
Begünstigungen für die Kapitalgesellschaftsbeteiligungen nicht mehr an, weil
der Vater nicht mit mindestens 25 % beteiligt gewesen war. Vater und Sohn
erhoben anschließend Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Sohn
legte nun Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Im Revisionsverfahren hob
das Finanzamt nach einem entsprechenden richterlichen Hinweis am 10.5.2023 alle
bisherigen Bescheide auf und erließ gegenüber dem Sohn einen neuen Bescheid,
mit dem es die Steuer auf 15.800.340 € festsetzte. Von diesem Betrag zog
das Finanzamt verschiedene Beträge, u. a. die bereits vom Vater gezahlten
Steuern ab, und nannte dann in der Begründung des Bescheids eine „festgesetzte
Steuer“ in Höhe von 6.829.463,31.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Revision des Sohns statt:

  • Der während des Revisionsverfahrens am 10.5.2023 ergangene
    Bescheid wurde zum Gegenstand des Revisionsverfahrens.

  • Der Bescheid vom 10.5.2023 ist nichtig, da
    aus ihm nicht eindeutig hervorgeht, in welcher Höhe Schenkungsteuer gegen den
    Sohn festgesetzt worden ist
    . Ein Bescheid leidet an schweren
    und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so
    bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was vom
    Steuerschuldner verlangt wird.

  • Der sog. Tenor des Bescheids, der die Hauptaussage trifft,
    steht im Widerspruch zur Begründung des Bescheids. Denn im Tenor wurde eine
    Schenkungsteuer von 15.800.340 € gegen den Kläger festgesetzt, während
    in der Begründung eine „festgesetzte Steuer“ in Höhe von 6.829.463,31 €
    genannt wurde. Für den Sohn war damit nicht erkennbar, in welcher Höhe
    Schenkungsteuer gegen ihn festgesetzt worden ist.

  • Zudem ließ der Bescheid nicht erkennen, dass die festgesetzte
    Schenkungsteuer durch die Zahlungen des Vaters materiell erloschen ist. Vater
    und Sohn waren Gesamtschuldner, so dass die Zahlungen des Vaters an das
    Finanzamt zum Erlöschen der Schenkungsteuer führten und dies auch zugunsten des
    Sohns wirkte. In dem Bescheid wurden zwar die Steuerzahlungen des Vaters
    abgezogen; hierdurch wurde aber nicht hinreichend deutlich, dass dies zum
    Erlöschen der gegen den Sohn festgesetzten Steuerschuld geführt hat.

Hinweise: Der nichtige Bescheid
war zwar nicht wirksam, wurde aber aus Gründen der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit aufgehoben. Der BFH brauchte nicht zu entscheiden, ob die
schenkungsteuerlichen Begünstigungen zu gewähren waren. Da auch die vorherigen
Bescheide aufgehoben worden waren – und zwar vom Finanzamt während des
Revisionsverfahrens –, wurde im Ergebnis keine Schenkungsteuer
festgesetzt.

Die Nichtigkeit eines Bescheids kann auch noch nach Ablauf der
Einspruchsfrist geltend gemacht werden. Ist der Bescheid jedoch nicht nichtig,
sondern nur rechtswidrig, bleibt der rechtswidrige Bescheid bestehen und ist
wirksam, wenn der Steuerpflichtige nicht innerhalb der Einspruchsfrist
Einspruch eingelegt hat. Im Zweifel sollte daher bei einem Bescheid, der
nichtig sein könnte, auch rechtzeitig Einspruch eingelegt werden, um so im Fall
der bloßen Rechtswidrigkeit eine Änderung zugunsten herbeiführen zu können.

BFH, Urteil vom 8.11.2023 – II R 22/20; NWB