Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei nicht täglicher Postzustellung

Die gesetzliche Zugangsvermutung, nach der ein Steuerbescheid drei
Tage nach Aufgabe zur Post (ab 2025: vier Tage nach Aufgabe zur Post) als
bekanntgegeben gilt, greift auch dann, wenn die Post an zwei Tagen der
Dreitagesfrist nicht zustellt, weil sie an einem der beiden Tage (Samstag)
grundsätzlich keine Zustellungen vornimmt und der nachfolgende Tag ein
zustellfreier Sonntag ist.

Hintergrund: Nach dem Gesetz
gilt ein Verwaltungsakt bis einschließlich 2024 nach drei Tagen nach Aufgabe
zur Post als bekanntgegeben, so dass am Tag danach die Einspruchsfrist beginnt.
Ab 2025 wurde die gesetzliche Dreitagesfrist durch eine Viertagesfrist ersetzt.

Sachverhalt: Die Klägerin
erstellte ihre Einkommensteuererklärung für 2017 selbst, d.h. ohne Hilfe eines
Steuerberaters. Am Freitag, dem 15.6.2018, erließ das Finanzamt den
Einkommensteuerbescheid für 2017 und übergab ihn einem
Postdienstleistungsunternehmen, das jedoch die Post im Wohnviertel der Klägerin
nur zwischen Montag und Freitag austrägt, nicht aber am Samstag und am generell
zustellungsfreien Sonntag. Die Klägerin war bis einschließlich Montag, dem
18.6.2018, beruflich auswärts tätig und kehrte erst am 19.6.2018 in ihre
Wohnung zurück, wo sie nach eigenen Angaben den Einkommensteuerbescheid für
2017 im Briefkasten vorfand. Sie übersandte den Bescheid noch am selben Tag per
Telefax an ihren Steuerberater, dem sie keine Empfangsvollmacht erteilt hatte.
Dieser legte am 19.7.2018 Einspruch ein. Das Finanzamt ging von einer
Versäumnis der Einspruchsfrist aus und verwarf den Einspruch als unzulässig.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Einspruch war verfristet, weil bei Einlegung des
    Einspruchs am 19.7.2018 die einmonatige Einspruchsfrist abgelaufen war.

  • Der Steuerbescheid galt nach der im Jahr 2018 anwendbaren
    Dreitagesfrist nach drei Tagen nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Die
    Aufgabe zur Post war am Freitag, dem 15.6.2018, durch Übergabe an das
    Postdienstleistungsunternehmen erfolgt. Damit galt die Bekanntgabe als am
    Montag, dem 18.6.2018, erfolgt, so dass die Einspruchsfrist am 19.6.2018
    (Dienstag) begann und am 18.7.2018 endete; der Einspruch wurde aber erst am
    19.7.2018 eingelegt.

  • Die Dreitagesfrist war im Streitfall anwendbar, auch wenn eine
    Postzustellung weder am Samstag, dem 16.6.2018, noch am Sonntag, dem 17.6.2018,
    möglich war, da das Postdienstleistungsunternehmen samstags nicht zustellte und
    sonntags ohnehin keine Post ausgetragen wurde. Gleichwohl war eine
    Postauslieferung am Montag, dem 18.6.2018 und dem dritten Tag nach Aufgabe zur
    Post zwar etwas weniger wahrscheinlich, aber möglich.

Hinweise: Aufgrund der
zahlreichen Probleme und Mängel bei der Postzustellung hat der Gesetzgeber die
Dreitagesfrist durch eine Viertagesfrist ersetzt. Die neue Frist gilt für alle
Verwaltungsakte (Bescheide), die nach dem 31.12.2024 zur Post aufgegeben
werden.

Die Klägerin hatte vorgetragen, dass sie ihre Mutter sowie eine
Freundin mit der Leerung des Briefkastens beauftragt habe. Hieraus konnte
jedoch nicht geschlossen worden, dass der Bescheid erst am 19.6.2018 in den
Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde. Hierzu hätte die Klägerin vortragen
müssen, dass die Mutter und die Freundin den Briefkasten nach der Zustellrunde
am 18.6.2018 geleert hätten und sich der Einkommensteuerbescheid für 2017 nicht
im Briefkasten befunden habe. Tatsächlich hatte die Klägerin einen Zugang des
Bescheids am 18.6.2018 aber nicht substantiiert bestritten.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2025 – VI R 18/22;
NWB