Der Bundesfinanzhof (BFH) gewährt eine Aussetzung der Vollziehung,
		wenn der steuerliche Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft aufgrund einer
		Anteilsübertragung von mehr als 50 % auf einen Erwerber innerhalb von fünf
		Jahren untergeht. Dem BFH zufolge ist die Aussetzung der Vollziehung aufgrund
		der verfassungsrechtlichen Zweifel an der gesetzlichen Regelung zum
		Verlustuntergang gerechtfertigt. 
Hintergrund: Nach dem Gesetz
		geht der steuerliche Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft unter, wenn mehr
		als 50 % der Anteile innerhalb von fünf Jahren an einen Erwerber unmittelbar
		oder mittelbar übertragen werden. Zu einem Verlustuntergang kommt es jedoch
		nicht, soweit stille Reserven vorhanden sind. Das Bundesverfassungsgericht
		(BVerfG) hatte im Jahr 2017 die vorherige Gesetzesregelung, die bei einer
		Anteilsübertragung von mehr als 25 % bis zu 50 % einen anteiligen
		Verlustuntergang vorgesehen hatte, für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin ist
		die aktuelle Regelung verabschiedet worden, die für den Verlustuntergang eine
		Anteilsübertragung von mehr als 50 % verlangt. 
Sachverhalt: Die Antragstellerin war eine GmbH, die zu einer
		U.S.-amerikanischen Kapitalgesellschaft gehörte und die über Verlustvorträge
		bei der Körperschaft- sowie Gewerbesteuer verfügte. Im Jahr 2016 übertrug die
		U.S.-amerikanische Muttergesellschaft 99 % der Anteile an der Antragstellerin
		auf einen einzelnen Erwerber. Das Finanzamt kürzte daraufhin den zum 31.12.2016
		festgestellten Verlustvortrag bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer, soweit
		die Verluste bis zum Tag der Anteilsübertragung entstanden waren. Die
		Antragstellerin legte hiergegen Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der
		Vollziehung.
Entscheidung: Der BFH gab dem
		Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt:
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Eine Aussetzung der Vollziehung setzt ernstliche Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des Bescheids voraus. - 
Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ergeben
sich aus der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der vorherigen
gesetzlichen Regelung, die einen anteiligen Verlustuntergang bei einer
Anteilsübertragung von mehr als 25 % bis 50 % vorsah. Diese Vorgängerregelung
war der heutigen Regelung ähnlich, so dass die vom BVerfG festgestellte
Verfassungswidrigkeit auf ernstliche Zweifel an der Verfassungswidrigkeit der
aktuellen Regelung hindeutet. Der Gesetzgeber hat sich bei der Verabschiedung
der aktuellen Regelung trotz seines Wissens von der Verfassungswidrigkeit der
bisherigen Regelung gegen eine mögliche Neuausrichtung des Verlustuntergangs
entschieden. - 
Zudem gibt es im Streitfall auch Zweifel, ob die
Antragstellerin über steuerpflichtige stille Reserven verfügt und aus diesem
Grund der Verlustvortrag erhalten bleiben könnte. 
Hinweise: Der BFH lehnt eine
		Aussetzung der Vollziehung, die auf verfassungsrechtliche Zweifel gestützt
		wird, häufig ab. Denn dann würden viele Gesetze, bei denen es
		verfassungsrechtliche Zweifel gibt, aufgrund einer Aussetzung der Vollziehung
		erst einmal nicht umgesetzt werden können und der Bundeshaushalt beeinträchtigt
		werden. Deshalb verlangt der BFH häufig ein besonderes
		Aussetzungsinteresse, z.B. eine Gefährdung der
		wirtschaftlichen Existenz. Im Streitfall ergab sich das besondere
		Aussetzungsinteresse aus der bereits vom BVerfG festgestellten
		Verfassungswidrigkeit zur Vorgängerregelung, die in vielen Einzelpunkten der
		aktuellen Regelung ähnelt. 
Zur aktuellen Regelung ist bereits seit fast sechs Jahren ein
		Verfahren beim BVerfG anhängig. Es ist unklar, wann dieses Verfahren endlich
		entschieden wird. 
Quelle: BFH, Beschluss v. 12.4 2023 – I B 74/22 (AdV); NWB